Beobachter
einmal Gavin würde die Tatsachen leugnen können.
2
Das Haus war kalt und roch bereits modrig. Seit einer Woche stand es leer. Davor hatte seine Bewohnerin eine Woche lang tot im Badezimmer gelegen. Durch die offene Küchentür waren Kälte und Feuchtigkeit eingedrungen.
Er geht so schnell, dachte Fielder, der Verfall. Warum geht er immer so schnell?
Er und Christy waren noch einmal hinaus nach Tunbridge Wells und in die stillen, tiefverschneiten Wälder ringsum gefahren. Sie hatten das Auto auf dem wie immer leeren Parkplatz abgestellt und waren durch den Wald gestapft.
»Man sollte Weihnachten im Wald feiern«, hatte Peter Fielder gesagt und einem Eichhörnchen nachgeblickt, das den Stamm einer Fichte hinaufsauste. »Es ist so ruhig hier. So feierlich.«
»Und verdammt kalt«, hatte Christy erwidert.
Gegen zwei Uhr erreichten sie das Haus. Die Beamten hatten alle Fensterläden verschlossen, die Türen sorgfältig verriegelt. Fielder hatte Düsternis und klamme Luft erwartet, war aber trotzdem von der bedrückenden Atmosphäre überrascht worden. Auch von der Traurigkeit, mit der er auf sie reagierte. Er war seit Jahrzehnten bei der Polizei, er hatte gelernt, sich vor den Gefühlen, die einen Fall begleiten konnten, vor Schmerz, Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, zu schützen. Er wollte sich von dem desolaten Zustand, in dem sich die Welt befand, psychisch nicht niederringen lassen, denn wenn das passierte, konnte er seinen Beruf aufgeben.
Im Allgemeinen hatte er sich gut im Griff. Dennoch, an diesem Tag, in dieser Abgeschiedenheit, in diesem Haus …
Liegt an Weihnachten, hoffte er, das ist einfach so eine Zeit …
»Sir?«, riss ihn Christy aus seinen Gedanken.
Er nahm sich zusammen. »Okay«, sagte er, »ich wollte mir das Atelier noch einmal ansehen.«
Sie stiegen die Treppe hinauf. Noch immer gab es keinen greifbaren Anhaltspunkt, nichts, was sie einer Erkenntnis hätte näher kommen lassen.
Christy war in der Praxis gewesen, in der Anne Westley bis vor dreieinhalb Jahren gearbeitet hatte, hatte jedoch nichts in Erfahrung bringen können, was darauf hindeutete, dass es irgendwann einmal einen Skandal um eine falsche Diagnose oder einen Kunstfehler gegeben hatte.
»Anne war bei allen ihren kleinen Patienten äußerst beliebt«, hatte eine Kollegin, die wegen der Nachricht von dem Mord noch vollkommen fassungslos schien, gesagt, »auch bei deren Eltern und bei allen Mitarbeitern. Mir ist absolut nicht bekannt, dass sie sich jemals irgendetwas hat zuschulden kommen lassen oder dass man ihr etwas angehängt hätte.«
»In früheren Zeiten vielleicht?«, hatte Christy nachgehakt. »Sie hat ja über dreißig Jahre lang hier praktiziert.«
»Was vor meiner Zeit war, weiß ich natürlich nicht so genau. Aber wahrscheinlich hätte es Gerede gegeben, und das wäre mir zu Ohren gekommen. Nein, ich glaube, da war nichts.«
Christy hatte akribisch die alten Patientenkarteien durchsucht. Eine Keira Roberts gab es dort nicht. Sicherheitshalber hatte sie erneut bei der heutigen Keira Jones angerufen und nach Dr. Westley gefragt.
»Nein«, hatte Keira gesagt, »ich war als Kind definitiv nicht bei einer Ärztin dieses Namens. Wir hatten einen Kinderarzt, der ganz in unserer Nähe wohnte, zwei Häuser weiter oder so.«
»Aber fiel der Name Westley irgendwann einmal bei Ihren Eltern? Kann es da eine – egal wie weitläufige – Bekanntschaft gegeben haben?«
Keira hatte sich alle Mühe gegeben und ihr Gedächtnis durchforscht, aber schließlich resigniert gesagt: »Nein. Es tut mir leid, Sergeant. Soviel ich weiß, gab es niemanden dieses Namens, den meine Eltern kannten.«
Sie kamen an dem Badezimmer vorbei, in dem Anne Westley getötet worden war. Fielder musste sich abwenden, trotz seiner langjährigen Berufserfahrung. Der Gedanke an den Albtraum, den die alte Frau durchlebt hatte, wühlte ihn auf.
Das Atelier unter dem Dach war der hellste Raum im ganzen Haus, und selbst an diesem dämmrigen Dezembermittag herrschte hier noch ein schönes Licht. Die Wände waren mit Holz getäfelt, die Fenster in drei großen Dachgauben nach Süden hin ausgerichtet. Es standen mehrere Staffeleien im Zimmer verteilt, und überall lehnten fertige oder halb fertige Bilder. Es roch nach Farbe und Terpentin. Ein bunt gesprenkelter Malkittel hing an der Tür. Es dominierten helle, leuchtende Farben und Bilder, die Blumen und Landschaften zeigten.
»Ausgesprochen fröhliche Bilder«, stellte Christy nach einem ersten
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