Beobachter
verbarrikadiert hatte, zerschossen. Daher konnten wir die Projektile vergleichen.«
Gillian erschien das mehr als seltsam. »Aber wieso sollte jemand, der zwei ältere Frauen ermordet, einen Mann in mittleren Jahren umbringen? Es wurde ja nicht einmal irgendetwas bei uns gestohlen. Das ergibt doch keinen Sinn!«
»Bislang ergibt in der ganzen Geschichte noch gar nichts einen Sinn«, sagte Fielder resigniert, »zumindest sehen wir den Sinn nicht. Es drängt sich allerdings die Vermutung auf, dass …« Er suchte nach Worten. Er wollte Gillian seinen Verdacht nicht in aller Härte entgegenschleudern.
Sie erriet jedoch, was er sagen wollte. Sie sah es ihm an. »Sie denken, dass Tom gar nicht das Opfer sein sollte? Sie denken, ich war eigentlich gemeint?«
Er schien erleichtert, dass sie es selbst ausgesprochen hatte. »Es ist wirklich nur eine Vermutung. Aber tatsächlich ist es ja so, dass Ihr Mann normalerweise an jenem Abend nicht daheim gewesen wäre. Genauso übrigens wie Ihre Tochter. Wer Ihre Familie auch nur ein bisschen kannte oder ein wenig Recherche betrieben hatte, konnte davon ausgehen, Sie allein anzutreffen.«
»Er schaute in die Küche …«
»Ja. Sah aber niemanden, denn Ihr Mann war ja offenkundig gerade im Esszimmer. Der Täter sah einfach die helle Küche, die geöffnete Tür. Dringt in das Haus ein und steht plötzlich einem Mann statt, wie erwartet, einer Frau gegenüber. Hat aber wohl kaum eine überzeugend harmlose Erklärung bereit, weshalb er, bewaffnet mit einer Pistole, soeben ins Esszimmer geschlichen kommt. Er kann Thomas nur noch umbringen – schon um später nicht von ihm identifiziert zu werden. Und zu seinem Entsetzen hört er dann plötzlich noch von der Treppe her ein Geräusch. Es ist noch jemand im Haus. Jemand, der ihn vielleicht auch gesehen hat. Deshalb sucht er wie ein Wilder, wird aber Gott sei Dank nicht fündig.«
Gillian stöhnte leise und vergrub das Gesicht in beiden Händen. »Hätte er Becky gefunden …«
»Becky hatte großes Glück. Sie hatte auch Glück, dass es dem Täter offenbar irgendwann zu heikel wurde, noch weiterzusuchen und sich damit viel zu lange am Tatort aufzuhalten. Er gab auf. Die Schutzengel Ihrer Tochter haben gut funktioniert, Gillian!«
Sie hob den Kopf. »Aber warum ich? Wer sollte mich töten wollen?«
»Die gleiche Frage stellen wir uns seit Wochen in den Fällen Roberts und Westley«, sagte Fielder, »und wenn wir Sie nun in eine Reihe mit diesen Morden stellen – und den Mord an Ihrem Mann als ein nicht geplantes dramatisches Unglück werten –, ergibt das zwei vollendete Tötungsdelikte sowie ein versuchtes, für die uns das Motiv völlig schleierhaft ist. Die Person, die hier mordet, scheint von einem gewaltigen Hass getrieben zu sein, das war die einzige echte Information, die uns die beiden anderen Tatorte gaben. Mrs. Roberts und Dr. Westley mussten auf ausgesprochen grausame Weise sterben. Wir dachten erst, dass es sich um einen Täter handelt, der von einem ungeheuren Aggressionspotenzial gegen Frauen im Allgemeinen getrieben wird und der Roberts und Westley vielleicht nur deshalb auswählte, weil sie beide so allein und verlassen lebten, dass sie eine leichte Beute darstellten. Jede von ihnen wurde erst eine Woche nach ihrer Ermordung aufgefunden, und auch das nur durch Zufall. Aber in dieses Raster passen Sie nicht. Also muss es etwas anderes sein, das Sie mit den beiden Frauen verbindet.«
»Aber ich kenne sie ja überhaupt nicht!«
»Trotzdem kann es Schnittpunkte geben.«
»Oh Gott«, murmelte Gillian, »wie furchtbar!«
»Was wissen Sie über Samson Segal?«, fragte Fielder, und er bekam genau die Antwort, die er aufgrund der Aufzeichnungen Samson Segals erwartet hatte.
»Segal? Der Typ, der immer vor unserem Haus herumlungert?«
Vielleicht hat Christy doch recht, dachte er plötzlich, aber ehe er einhaken konnte, klingelte es an der Wohnungstür und Gillian stand mit einer leise gemurmelten Entschuldigung auf. Als sie zurückkehrte, war sie nicht allein.
John Burton folgte ihr auf dem Fuß.
3
Samson Segal erschrak fast zu Tode, als jemand an seine Zimmertür klopfte. Da die Absteige, in der er sich einquartiert hatte, mit Sicherheit nicht über einen Zimmerservice verfügte, nahm er nicht an, dass es sich um jemanden vom Personal handelte.
Vorsichtig fragte er: »Wer ist da?«
»Ich. Bartek. Mach auf!«
Erleichtert entriegelte Samson die Tür. Er hatte Bartek am frühen Morgen angerufen, war aber nur auf
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