Beobachter
Spülmaschine und leerte sie dann wieder. Abends nahm sie ein starkes Schlafmittel, legte sich auf das Sofa und versank in eine betäubte, schwarze Tiefe, aus der sie morgens erwachte, ohne sich erfrischt zu fühlen. Sie bereitete das Frühstück zu, toastete Brot, schnitt Obst, briet Eier. Ohne selbst etwas davon anzurühren.
Tara hatte schon protestiert. »Gillian, ich kann ja gar nichts mehr tun! Ich möchte dich umsorgen, und ich habe das Gefühl, es läuft umgekehrt!«
Sie hatte die Freundin bittend angesehen. »Lass mich irgendetwas tun, Tara. Ich werde sonst wahnsinnig.«
Tara gab sofort nach. »Natürlich. Ich verstehe dich ja.«
Gillian und Becky waren in jener furchtbaren Nacht zu Tara übergesiedelt, zusammen mit Chuck, dem Kater, den Gillian nach einer verzweifelten, hektischen Suche zu später Stunde völlig verstört und zitternd ein paar Gärten weiter aufgegriffen hatte. Er musste in Panik durch die offene Küchentür hinausgelaufen sein, als Schrecken und Gewalt über das Haus hereingebrochen waren. Eine freundliche und sehr sensible Polizeibeamtin hatte Gillian erklärt, das Haus müsse als Tatort nun erst einmal gesichert werden. »Es dürfen keinerlei Spuren vernichtet werden. Kennen Sie jemanden, bei dem Sie vorübergehend wohnen können?«
Gillian hatte zuerst an ihre Eltern gedacht, aber die wohnten viel zu weit weg, und als Nächstes war ihr Tara eingefallen. Sie hatte die Freundin angerufen und ihr erklärt, was geschehen war, und zunächst nichts als Schweigen aus dem Telefonhörer vernommen. Schließlich hatte Tara fassungslos gefragt: » Was ist passiert?«, um sich im nächsten Moment als die Frau zu beweisen, die mit Fällen dieser Art beruflich öfter zu tun hatte; sie hatte sachlich und tatkräftig agiert. »Ich bin gleich da«, hatte sie gesagt, »ich hole dich und Becky. Natürlich könnt ihr bei mir wohnen, so lange ihr mögt.«
Seitdem waren sie hier. In Taras schicker Altbauwohnung in Kensington. Ein Detective Inspector von Scotland Yard war inzwischen erschienen, um mit Gillian zu sprechen, und sie hatte ihm alles gesagt, was sie wusste, hatte ihm auch reinen Wein eingeschenkt, was ihre Geschichte mit John anging. Eine Beamtin hatte sich im Beisein von Gillian und einer Psychologin mit Becky unterhalten. Becky, das wusste Gillian, galt als wichtige Zeugin. Sie hatte den Täter nicht gesehen, war aber die Treppe hinuntergeschlichen, als sie von unten plötzlich ein lautes Poltern und Rumpeln vernahm und ihren Vater rufen hörte: »Was, um Himmels willen, soll das?«
Dann waren zwei Schüsse gefallen. Durch die Esszimmertür hatte Becky von der Treppe aus gesehen, wie ihr Vater über einem der Stühle zusammenbrach.
»Hast du überlegt, sofort zu ihm hinzulaufen?«, fragte die Beamtin.
Becky schüttelte den Kopf. »Nein.« Es klang entschuldigend. »Ich wusste, dass da noch jemand war. Ich hatte ja gehört, dass mein Vater mit jemandem sprach. Ich hörte, dass jemand schoss. Ich … hatte solche Angst. Ich wollte weg. Nur weg!« Sie war blass geworden. »Ich hätte ihm helfen sollen. Ich hätte hingehen müssen. Ich hätte …«
Die Psychologin schaltete sich schnell ein. »Absolut nicht, Becky. Du konntest nichts für ihn tun. Es war richtig, dass du dich in Sicherheit gebracht hast.«
»Ich wollte nur herausfinden, was genau bei Becky diesen raschen Reflex ausgelöst hat, sich zu verstecken«, erklärte die Beamtin. Es klang wie eine Rechtfertigung. »Leider ist alles, was sie gesehen, gehört und empfunden hat an jenem Abend, für uns bedeutsam.«
Doch nichts, was Becky berichtete, half wirklich weiter. Sie hatte gemalt, war so vertieft gewesen, dass sie den Umstand, dass sich ein Fremder im Haus aufhielt und ihren Vater bedrohte, erst realisierte, als Tom laut geworden war.
»Als ich sah, wie Daddy zusammenbrach, bin ich furchtbar erschrocken. Ich stand ja auf der Treppe und bin mit dem Fuß abgerutscht. Es gab ein ziemlich lautes Geräusch, und ich wusste in dem Moment … Ich wusste irgendwie, dass der, der das getan hat, jetzt weiß, dass ich im Haus bin. Ich bin fast verrückt geworden vor Angst. Ich bin hinaufgerannt und habe ein Versteck gesucht.«
Der Koffer in der Gerümpelkammer unter dem Dach war ihr eingefallen, weil sie sich früher darin versteckt hatte, wenn sie mit ihren Freunden im Haus spielte. Sie hatte dort gelegen, in völlig verkrampfter Haltung, mit stechenden Schmerzen in Armen und Beinen und mit angehaltenem Atem, und sie hatte gehört, wie
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