Beobachter
der Täter das ganze Haus nach ihr absuchte. Durch alle Zimmer jagte, Schränke aufriss, Möbel beiseiterückte.
»Als er hinaufkam, bin ich beinahe gestorben vor Angst. Ich dachte, er findet mich gleich. Er hat einen furchtbaren Lärm veranstaltet und in der Abstellkammer mit Kisten und Kartons um sich geworfen. Ich dachte, ich bin jeden Moment tot.«
»Aber du hast absolut nichts gesehen?«
Becky schüttelte den Kopf. »Der Kofferdeckel war ja geschlossen. Es war schwarz um mich. Vollkommen schwarz.«
Die Beamtin wollte wissen, ob Becky irgendwann zuvor die Haustürklingel gehört hatte, aber das Mädchen konnte sich nicht erinnern. »Ich glaube nicht. Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, ich wäre hinuntergegangen, wenn ich sie gehört hätte.«
An diesem Neujahrstag war eine noch sehr betäubt und willenlos wirkende Becky mit Tara zum Schlittschuhlaufen in den Hyde Park gegangen. Tara hatte Gillian überreden wollen, sie zu begleiten, aber sie hatte abgewehrt. »Nein. Geht alleine. Ich bin ganz froh, wenn ich für mich sein kann.«
Kurz nachdem die beiden gegangen waren, hatte Detective Inspector Fielder angerufen und gefragt, ob er vorbeikommen könnte. Sie hätte ihn am liebsten abgewimmelt, weil sie sich so müde, ausgebrannt und leer fühlte, aber sie wusste, dass sie sich zusammenreißen musste. Der Mann tat seine Arbeit, und er brauchte ihre Unterstützung. Es war wichtig, dass Toms Mörder gefunden wurde.
Nun saß Fielder ihr gegenüber auf einem Sessel in Taras Wohnzimmer. Sie hatte Kaffee gekocht, und er ließ sich dankbar eine Tasse einschenken. Er sah sehr müde aus, hatte wahrscheinlich in der Nacht gefeiert.
Was für ein schrecklicher erster Januar, dachte Gillian. Sie konnte von ihrem Platz aus hinaus auf den Balkon und in den grauen Himmel sehen. Vor dem Fenster saß Chuck. Er starrte ebenfalls hinaus, verfolgte mit den Augen die Vögel, die hin und wieder auf der Brüstung landeten und ihn frech musterten.
Detective Inspector Fielder führte soeben seine Theorie darüber aus, wie der Täter in das Haus hineingekommen sein könnte. »Wenn wir annehmen, dass er tatsächlich nicht geklingelt hat, dass ihm also auch nicht geöffnet wurde, so könnte es sein, dass sich ihm ein viel einfacherer, bequemer Weg geboten hat. Wir haben das überprüft. Von der Straße aus kann man durch das kleine Fenster in Ihrer Haustür bis in die Küche blicken, und man sieht auch die Tür dort, die in den Garten führt. Das funktioniert umso besser am Abend, wenn alles hell erleuchtet ist. Wir vermuten, dass Ihr Mann die Gartentür geöffnet hatte. Er wollte einfach ein bisschen frische Luft reinlassen. Es gibt nämlich keinerlei Hinweise an der Tür, dass sie gewaltsam aufgebrochen wurde. Der Täter, der womöglich zunächst vorhatte, zu klingeln, erkennt seine Chance, läuft um das Haus herum und betritt die Küche durch den Garten. Deshalb hat auch Becky überhaupt nichts mitbekommen.«
»Gibt es Fußspuren?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Bis die Polizei eintraf, hatte es ja schon wieder stundenlang geschneit.«
»Warum nur?«, fragte Gillian. »Warum? Warum sollte jemand Tom töten?«
Er stellte eine Gegenfrage. »Sagen Ihnen die Namen Carla Roberts und Anne Westley etwas?«
Gillian brauchte ein paar Sekunden, um die Frage in ihrer ganzen Konsequenz zu begreifen. »Glauben Sie, es besteht ein Zusammenhang …?«
»Sie wissen also, wer diese beiden Frauen sind?«
»Aus den Zeitungen, ja. Ich kenne sie aber nicht.«
»Sie haben vorher nie von ihnen gehört? Ihr Mann hat sie nie erwähnt?«
»Nein. Nie.«
»Dr. Anne Westley war Kinderärztin in London. Sie waren aber nicht mit Becky …?«
»Nein. Wie ich sagte: Ich kenne sie nicht.«
Peter Fielder nahm einen Schluck Kaffee, stellte dann seine Tasse vorsichtig auf den Tisch zurück und sah Gillian ernst an. »Die Tatwaffe. Die Pistole, mit der Ihr Mann erschossen wurde. Mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit handelt es sich um dieselbe Waffe, die auch gegen die beiden von mir genannten Frauen eingesetzt wurde.«
»Sie wurden auch erschossen?«, fragte Gillian. In den Zeitungen war über die Todesursache nur spekuliert worden, da die Polizei dazu keinerlei Angaben gemacht hatte. Fielder wollte es Gillian gegenüber dabei auch vorerst belassen.
»Allem Anschein nach wurden sie jedenfalls mit dieser Waffe bedroht«, entgegnete er daher ausweichend. »Im Falle Dr. Westley hat der Täter das Schloss einer Tür, hinter der sich die alte Dame
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