Beraubt: Roman
Schweiß aufgefallen, der aus all seinen Poren troff. Er fühlte sich schwach. »Was ist mit dem Rest meiner Familie? Meinem Vater?«
»Also, Ihrem Vater dürfte es gut gehen. Ist immer noch in Sparrowhawk. Ihr Bruder ist schon vor langer Zeit nach Queensland gegangen. Keine Ahnung, warum.«
Quinn legte Fitch die Hand auf die Schulter. »Hör zu. Du brauchst niemandem zu erzählen, dass du mich gesehen hast.«
Edward war geknickt. »Ach. Was soll ich denn dann sagen?«
»Sag gar nichts. Nichts. Du brauchst kein Wort zu sagen.«
Edward zog seinen Kadaver-Gürtel straff und wedelte einen Schwarm Fliegen aus seinem Gesicht. Sein Adamsapfel schlug Purzelbäume gegen seine pelzige Kehle, und Quinn spürte, dass seine Worte erst mit Verzögerung in den trüben Verstand dieses Trottels drangen wie das Platschen eines Steins, der in einen Brunnen geworfen wird.
Quinn machte sich Edwards kurze Verwirrung zunutze und nahm ihm das Gewehr aus der Hand, vergewisserte sich, dass es nicht geladen war, und gab es ihm dann zurück. »Lebt deine Mutter noch, Edward?«
»Meine alte Mum? Na klar.«
»Wohnt sie immer noch am Ende der Main Street? In dem grünen Häuschen?«
»Ja.«
»Gut. Wenn du irgendwem erzählst, dass du mich heute hier oben gesehen hast, dann gehe ich runter und bringe sie um. Hast du verstanden?«
»Warum sollten Sie …«
»Ob du mich verstanden hast?«
Edwards Unterlippe zitterte. »Ja.«
Quinn verweilte im kathedralenartigen Schatten der am Hang stehenden Kiefern, wo die Luft sanft und wohlriechend war. Im Krieg hatte er gelernt, freien Flächen zu misstrauen, und nur inmitten solcher Bäume fühlte er sich richtig geschützt. Er schämte sich, weil er Edward Fitch gedroht hatte, doch es war äußerst wichtig, dass niemand von seiner Rückkehr erfuhr. Der Trottel hatte mit Sicherheit recht gehabt, als er sagte, dass sie ihn aufhängen würden, wenn sie ihn entdeckten.
Das Städtchen Flint lag anderthalb Kilometer unterhalb in einem flachen Tal. Es umfasste kaum mehr als ein halbes Dutzend richtige Straßen, die sich über ein Gebiet von fünf Kilometern erstreckten, durchzogen von zahlreichen Feldwegen und Gassen, die zwischen den Gebäuden von flitzenden Kindern und Tieren ausgetreten wurden. Das Geschäftsviertel schlummerte an einem sanften Hang, der von der flacheren Umgebung des Flint River aufstieg, an dessen Ufern zahlreiche Weiden kauerten. Die wohlhabenderen Bürger wohnten in dem höher gelegenen Viertel rings um Orchard und Alexander Street, einer laubreichen Gegend, die auf der einen Seite von üppigen Obstgärten voller Apfel- und Nektarinenbäume und auf der anderen vom Gelände der anglikanischen Kirche begrenzt wurde. An der Gully Road standen hier und da längst geschlossene Läden – ein Schneider, Kilbys Fotostudio, ein Geschenkartikelladen –, die während des Goldrauschs floriert hatten, aber um ihre Existenz kämpfen mussten, sobald die zahlungskräftigen Kunden verschwunden waren.
Während des Goldbooms war die Bevölkerung in das umliegende Buschland vorgedrungen. In den Flats, die sich im Nordwesten von Flint erstreckten, hatten einmal fast hundert schäbige Bergarbeiterzelte und -behausungen gestanden, doch jetzt bestand die Gegend nur noch aus ein paar Morgen verwunschenem Land voll schwarzen Baumstümpfen, gefährlichen Gräben, Glasscherben, zerbrochenem Geschirr, verrosteten Kochutensilien und verrotteten Kleiderhaufen. Als die Bergleute die Flats verlassen und sich zu weiter entfernten Goldfeldern oder komfortableren Unterkünften aufgemacht hatten, hätten die vorausschauenderen Bürger von Flint das Land gern urbar gemacht und seine Nähe zum Fluss genutzt, doch es wurde nichts unternommen, und die Flats blieben verwahrlost, im Winter von Überschwemmungen heimgesucht und im Sommer von Schlangen wimmelnd. Sogar die Kinder aus Flint, normalerweise eine abenteuerlustige, furchtlose Schar, mieden die Gegend und nahmen lieber den langen Weg zum Fluss, als zu riskieren, von den Monstern, die in den nassen Schluchten lauerten, an den Knöcheln gepackt zu werden.
Quinn erinnerte sich, wie sein Vater ihnen einmal erzählt hatte, dass er gesehen habe, wie eine Irin inmitten des ganzen Chaos auf einem Fleckchen schlammigem Gras am Fluss ohne fremde Hilfe ein Kind zur Welt gebracht hatte; und wie danach, als die Frau mit ihrem wimmernden Baby davongewankt war, ein Hund aus dem Schatten geschlichen kam, sich die vielädrige, blutergussdunkle Nachgeburt schnappte und mit
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