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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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Esszimmertisch und beleuchtete einen Korb voll Obst.
    Stille. Hatte man sie ertappt?
    Dann wieder Stimmen, schlurfende Schritte, gefolgt von einem Knall, vielleicht der Absatz eines Schuhs, der gegen eine Fußleiste stieß. Der Mann sagte etwas. Quinn konnte nichts verstehen, erkannte aber den unangenehmen, schleppenden Tonfall sofort, und daran, wie Sadies Kopf zur Seite zuckte, sah er, dass es ihr ebenso ging. Robert Dalton. Sein Herz krampfte sich zusammen.
    Wieder Gelächter aus der Diele, gedämpfte Worte. Quinn sah die offene Tür auf der anderen Seite des Zimmers und dann das Funkeln eines Spiegels im Flur. Vielleicht konnten sie darauf zurennen und flüchten – durch die Tür, den Flur entlang und zur Hintertür hinaus in den Garten? Die Stimme der Frau, leise und anzüglich. Hier lang, Konstabler … Schritte, ein Ächzen und das unverkennbare Quietschen einer Matratze. Wieder Gelächter, diesmal hemmungslos, und dann das dumpfe Geräusch eines Stiefels, der auf dem Fußboden landet.
    Sadies schmale Brust hob und senkte sich. Sie leckte sich die Lippen und hielt ihm das Bündel hin, das sie aus der Kiste genommen hatte, als wäre es ein neugeborenes Kind. Er schüttelte den Kopf, um ihr zu bedeuten, dass sie dafür jetzt keine Zeit hatten, doch sie drückte es ihm in die Hand. Etwas an ihrem Auftreten duldete keine Weigerung. Er nahm das Bündel und stellte überrascht fest, dass es viel schwerer war, als er erwartet hatte. Er wickelte die Verpackung ab und setzte den Geruch von Maschinenöl frei. Ein Revolver, anscheinend ein Webley, wahrscheinlich dasselbe Fabrikat wie der, den er verloren hatte. Sadie gab ihm eine Schachtel Munition.
    Aus dem Schlafzimmer drang wieder ein Quietschen, lüsternes Gemurmel, Geflüster. Quinn errötete. Während der Ausbildung in Kairo hatten ihn seine Kameraden in ein Bordell mitgeschleift, und auch wenn er den Verlockungen der dunkeläugigen Frauen dort widerstanden hatte, hatte diese Erfahrung ihm ein Entsetzen vor allem eingeflößt, was ihm die schmutzigen Intimitäten zwischen Männern und Frauen vor Augen führte. In dem schäbigen Bordell hatte es nach Räucherstäbchen und Alkohol gestunken. Jetzt wurde er an jene heiße Nacht erinnert, so wie er sich damals an den Nachmittag erinnert fühlte, an dem Sarah ermordet wurde; die schemenhaften Einzelheiten der beiden Ereignisse verschmolzen zu einem Kaleidoskop aus verschlungenen Beinen, teuflischem Gelächter und den aufblitzenden schiefen Zähnen eines Fremden.
    Er klappte den Revolver auf, steckte drei Patronen in die Kammern und ließ ihn wieder zuschnappen. Das war erstaunlich befriedigend. Er schlich mit Sadie durch die Tür, und sie standen im Flur. Unter ihren Füßen knarrten die Dielen. Sie erstarrten. Quinn merkte, dass er vor Angst zitterte. Er hörte das schallende Gelächter seines Onkels. Er bedeutete Sadie, sich an die Hintertür zu stellen, und sie nickte und tat wie geheißen. Obwohl er nicht genau wusste, wie er vorgehen sollte, stellte sich Quinn vor, er würde das Schlafzimmer betreten und seinen Onkel an Ort und Stelle erschießen. Wie sehnlich hatte er sich damals bei Sarah gewünscht, so eine Waffe in der Hand zu halten. Er musterte den Revolver. Sollte es tatsächlich seine Aufgabe sein, Rache zu üben?
    Plötzlich vor ihm im Flur eine Gestalt. Eine Frau, in hauchdünne Unterwäsche gekleidet. Es war Mrs. Higgins. Das Mondlicht wurde von ihrer schweißnassen Stirn gespiegelt, und sie sah aus wie in Milch getaucht. Ihre Finger flatterten in der Luft. »Dick«, flüsterte sie. »Dick, bist du das? Mein Gott, tut mir so leid, ich dachte …«
    Quinn starrte sie wie gebannt an, außerstande, etwas zu sagen. Er kannte die Frau. Evelyn . Evelyn Kingston, aus der Schule. Ein temperamentvolles Mädchen, das einmal, weil die Jungen sie von ihrem Kricketspiel ausgeschlossen hatten, den Ball stahl und ihn in den Obstgarten warf, der an den Schulhof grenzte.
    Er spürte einen Luftzug und begriff sofort, dass Sadie die Hintertür geöffnet hatte. Im Schlafzimmer regte sich etwas, gefolgt von einer gedämpften Frage. Robert.
    Evelyn Higgins sprach immer noch mit wehleidiger Stimme. »Dick, du warst jetzt so lange weg, so viele Jahre lang, dass ich dachte …«
    Quinn machte auf dem Absatz kehrt und rannte geradewegs zur Tür hinaus auf die Veranda. Er sprang auf den Rasen, verlor den Halt und fiel mit dumpfem Ächzen aufs Gesicht. Blut schoss ihm in den Mund. Der Geruch von zerdrücktem Gras stieg ihm in die

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