Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
Vom Netzwerk:
Früchte erfüllt. Obwohl er nicht wusste, was sie vorhatten, hatte er zum ersten Mal seit Jahren Spaß.
    Hand in Hand arbeiteten sie sich vor – über einen weiteren Zaun, über den staubigen Schulhof und über die Church Street in die weitläufigen Gärten an der Orchard Street. Quinn hörte das Geflatter von Hühnern. Die Grillen stellten ihr Zirpen ein, als sie vorbeischlichen. Dann über die Fletcher Street und durch einen weiteren Zaun. Sadie ging in die Hocke und legte den Finger auf die Lippen. Quinn kauerte sich neben sie und wurde sofort von einem eindringlichen Duft überwältigt. Sie befanden sich unter einem Apfelbaum, und der Boden war mit Blumen und Obst übersät.
    Quinn streifte sich ein Spinnennetz aus dem Gesicht und spähte in die Dunkelheit. Hinter dem schützenden Apfelbaum lag eine Rasenfläche, die reifgrau im Mondschein leuchtete. Einen Augenblick später sah er das blasse Geländer einer Hintertreppe und das Funkeln eines Fensters hinter einer sich bauschenden Olearie. Einen weißen Stuhl auf der Veranda. Er drehte sich zu Sadie um. »Wo sind wir? Was wollen wir hier?«
    Sie gab keine Antwort. Stattdessen schlich sie am Rasen entlang auf das Haus zu, wobei sie sich am verwilderten Blumenbeet orientierte. Quinn folgte ihr. Auf der Veranda blieben sie wieder stehen.
    »Hier wohnt jetzt Mrs. Higgins«, erklärte ihm Sadie. »Aber sie spielt heute im Pfarrhaus Bridge.« Sadie schlich weiter, öffnete die Hintertür, winkte Quinn, ihr zu folgen, und schlüpfte geschmeidig ins Haus.
    Quinn blickte sich um. Er war nervös. Das Kreuz auf seiner Brust juckte. Irgendwo in der Nähe, vielleicht nur ein paar Häuser entfernt, bellte ein Hund. Das Schlagen einer Fliegengittertür, dann Stille. Er betrat das kühle Haus, schloss hinter sich die Tür und wartete, um sich auf die neue Dunkelheit einzustellen.
    In Mrs. Higgins’ Haus roch es nach Holzpolitur und vertrockneten Rosen. Sadie kam aus dem Dunkeln, nahm seine Hand und führte ihn den Flur entlang. Auf einer Anrichte klapperte Geschirr, als sie daran vorbeigingen. Inzwischen hatten sich Quinns Augen an die Finsternis gewöhnt. Auf dem Kaminsims standen mehrere Fotos in Silberrahmen. Sadie zog ihn in eine Ecke, wo sie etwas unter einem Sekretär mit Glastüren hervorzerrte. Ihre schemenhaften Spiegelbilder tauchten in dem Glas vor ihnen auf wie Gespenster.
    »Guck mal, es hängt fest«, zischte sie.
    Quinn kniete sich auf den Holzfußboden und fasste nach einem kleinen Messinggriff. »Was ist das?«
    »Eine Kiste.«
    »Das sehe ich. Aber was ist drin?«
    »Wir müssen sie rausziehen, um sie zu öffnen.«
    »Was ist drin?«
    »Zieh sie raus.«
    Aufgebracht zerrte Quinn, bis er die Kiste losbekam. Irgendwas fiel vom Sekretär herunter und rollte hinter einen Vorhang. Unwillkürlich legten sie eine Pause ein, bevor sie sich wieder an der Kiste zu schaffen machten. Als er sie freibekommen hatte, löste Quinn die Metallschließen, musste aber feststellen, dass das Ding abgeschlossen war.
    Sadie zog einen großen Schraubenzieher aus ihrer Tasche. »Hier. Probier’s mal damit.«
    Quinn war beeindruckt. Er zwängte die flache Spitze des Schraubenziehers unter den Deckel, stand auf und legte sein ganzes Gewicht auf den Griff, bis die Kiste aufbrach. Sadie rutschte auf Händen und Knien vorwärts und durchstöberte den Inhalt.
    Doch plötzlich hörte Quinn trotz seiner Schwerhörigkeit, wie ein Schuh über eine Stufe scharrte. Dann noch mal. Vermutlich Mrs. Higgins. Sadie hatte es anscheinend auch gehört. Sie stand auf. Er spürte die Wärme ihres zitternden Körpers. Er merkte, dass sie ihn betrachtete, ihr blass leuchtendes Gesicht am Rand seines Blickfelds. Sie drückte ein Bündel Kleidungsstücke oder Bettlaken an den Bauch.
    »Was ist mit der verfluchten Bridgepartie?«, raunte er. Das Klappern eines Griffs, gefolgt vom Knarren einer sich öffnenden Tür, der Eingangstür ebendieses Hauses, nur drei, vier Meter entfernt. Und dann, noch beunruhigender, kichernde Stimmen. Nicht eine Person, sondern schlimmer: mehrere.
    20 Quinn blickte Sadie an, weil er keine Ahnung hatte, was in aller Welt sie jetzt tun sollten. Ihr Elfengesicht war vor Angst verzerrt. Auf der anderen Seite der Wand kicherte eine Frau und sagte: Vorsicht! Eine leise Stimme. Die Haustür schlug zu, und wieder ertönte Gelächter. Dann die andere, tiefere Stimme. Die Stimme eines Mannes. Quinn war unfähig, sich vom Fleck zu rühren. Ein rechteckiger Streifen Mondlicht fiel auf den

Weitere Kostenlose Bücher