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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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Zukunft und ihre Vergangenheit in einem einzigen Augenblick. Das war ein schrecklicher und zugleich wunderbarer Gedanke. Während er und Sadie zum Horizont hinausblickten, kühlte die prähistorische Luft der Höhle den Schweiß an seinem Rücken.
    »Das ist die Höhle der Hände«, sagte Sadie, als sie Atem geschöpft hatte. Sie band das Lamm an einen Baum. »Hier oben hab ich mich immer vor Mr. Dalton versteckt.«
    Fasziniert betrachtete Quinn das Mädchen. Sie war so vielseitig, war sich so sicher, wo ihr Platz auf der Welt war. Sie stieß ein paar Farnwedel mit dem Fuß weg. Das Lamm blickte sich mit seinen eigensinnigen Augen um und stieß hin und wieder ein zitterndes Blöken aus.
    »Von diesem Ort weiß außer mir und den Eingeborenen kein Mensch. Das ist unbekannter Terror.«
    »Was?«
    »Du weißt schon. Terror incognito. Das bedeutet unbekannt.«
    Er lachte. »Es heißt terra – und wird T-E-R-R-A buchstabiert. Das bedeutet Erde. Unbekanntes Gelände.«
    Sie sah ihn einen Augenblick entsetzt an und zeigte dann ein verschmitztes Lächeln. Sie nahm seine Hand. »Du bist komisch. Komm.«
    Sie führte ihn etwa fünf Meter weit, in den hinteren Teil der Höhle. Dort begann sich der Fels über ihren Köpfen zu neigen, und sie mussten die restliche Strecke im Entengang zurücklegen. Das Tageslicht sickerte nicht so weit herein, und die Nische war kühl und schummrig. Quinns Kopf streifte die Decke. Sie setzten sich auf den kalten Boden und warteten, bis ihre Augen sich auf die Dunkelheit eingestellt hatten. Das Mädchen saß neben ihm und zupfte einen Schorf von ihrem nackten Schienbein, vertieft in ihre kindliche Aufgabe. Quinn konnte kaum glauben, dass sie wirklich existierte, und wie von einer inneren Kraft getrieben, die nicht ihm gehörte, streckte er die Hand nach ihr aus. Sie hielt in ihrer Beschäftigung inne und blickte ihn an. Rührte sich nicht. Sie ließ ihn erst ihre eine und dann ihre andere Wange streicheln und mit den Fingern durch ihr langes Haar streichen. Er spürte, wie in seinem Innern der Drang zu weinen aufstieg.
    Er zog die Hand zurück, hustete in seine Faust. Vom Knien taten ihm die Fußgelenke weh. Während sich seine Augen noch besser an die Dunkelheit gewöhnten, sah er plötzlich direkt vor sich ein Gewimmel gemalter Hände. Dutzende von ihnen breiteten sich auf der Wand und der Decke aus – nicht bloß Hände, sondern auch Kängurus und Schlangen, alles in Ocker und Schwarz. Als er erkannte, worum es sich handelte, musste er lachen und ließ den Blick über die Wand schweifen, bis er eine Hand entdeckte, die so groß war wie seine eigene, und seine Handfläche auf den kalten Fels drückte.
    Er nahm die Hand wieder weg und lächelte Sadie an. »Aber was wollen wir hier oben?«
    »Wie du gesagt hast, wir müssen rausfinden, wann der Fährtensucher zurückkommt. Besonders jetzt, wo Dalton die Uniformjacke hat. Man kann so was durch Magie ergründen, aber du musst mir helfen.«
    Sie kroch aus der Höhle und kehrte eine Minute später mit dem Lamm im Schlepptau zurück. Sie forderte Quinn auf, das Tier an den Schultern zu packen und das Kinn mit einer Hand abzustützen. Wie ein struppiges Kind strampelte das Lamm an seiner Brust, wand den wackeligen Kopf blökend hin und her.
    Mit einem Kreidestummel zeichnete Sadie rings um die beiden einen Kreis auf den Boden. »Hältst du es auch gut fest?«
    Quinn grinste. Das Ganze war lächerlich, aber dennoch nickte er. Er würde sie vorerst gewähren lassen. »Und jetzt?«
    Die Augen halb geschlossen, murmelte Sadie irgendwas und stieß ihr Messer in das Lamm. Sie schnitt dem Tier den Bauch auf, und es klang, als würde sie einen Leinensack zerfetzen. Der feuchte Geruch von Kot und Innereien erfüllte die Höhle. Quinns Schenkel wurden warm vom Blut. Er fluchte. Das Lamm strampelte, sträubte sich verzweifelt, bis es sich losgerissen hatte, ein paar Schritte entfernt stehen blieb und sie mit einem Ausdruck verblüffter Missbilligung anstarrte. Die Gedärme klatschten, gefolgt von anderen dunkelroten Innereien, auf den Höhlenboden. Das Tier sackte auf die Vorderbeine, dann auf die Hinterbeine und stieß ein klagendes Röcheln aus, dann kippte es um, erstarrte und starb. Das Ganze hatte nicht länger als eine Minute gedauert.
    Quinn rieb an seiner blutbefleckten Hose. Er versuchte aufzustehen und stieß sich an der niedrigen Decke den Kopf. Er kniete sich wieder hin. »Was zum Teufel soll das?«
    Doch das Mädchen, ebenfalls blutbespritzt, hockte

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