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Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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bürgerlichen Aufruhr niederschlug. Dieser wurde vom Earl of Essex angeführt, von dem einige Historiker behaupten, er sei der Liebhaber der Königin gewesen.«
    Unvermittelt schossen mehrere Hände in die Höhe.
    »Wainwright«, sagte George müde, denn er wusste nur zu gut, wie seine Frage lauten würde.
    »Was ist ein Liebhaber, Sir?«
    George lächelte. »Ein Liebhaber ist ein Mann, der mit einer Frau zusammen lebt, aber nicht im Zustand der heiligen Ehe.«
    »Dann ist es also nicht möglich, dass ein Liebhaber ein virgo intacta ist, oder, Sir?«
    »Ganz recht, Wainwright. Ich vermute allerdings, dass Elizabeth sich niemals einen Liebhaber genommen hat, da es ihre Autorität als Monarchin untergraben hätte.«
    Eine andere Hand schoss in die Höhe. »Aber hätten der Hof und das gemeine Volk nicht lieber einen Mann wie den Earl of Essex auf dem Thron gesehen anstelle einer Frau?«
    George lächelte erneut. Graves, einer jener außergewöhnlichen Jungen, die den Klassenraum dem Spielfeld vorzogen, würde niemals frivole Fragen stellen. »Zu dieser Zeit, Graves, haben selbst ihre ursprünglichen Gegner Elizabeth dem Earl of Essex vorgezogen. Und tatsächlich steht diese Frau mehr als dreihundert Jahre später ebenbürtig neben jedem Mann im Pantheon der englischen Monarchen«, schloss er, als in der Ferne das Läuten der Kapellenglocke erklang.
    George sah sich um, um zu sehen, ob es noch weitere Fragen gab. Es gab keine. Seufzend sagte er: »Das war’s für heute. Aber, Gentlemen«, fügte er hinzu und hob seine Stimme, »denken Sie bitte daran, dass Ihre Aufsätze über die religiöse und politische Bedeutung der Ehe von Henry VIII. mit Anne Boleyn bis Donnerstagmittag auf meinem Schreibtisch liegen müssen.«
    Ein vernehmliches Stöhnen war zu hören, als die fünfte Klasse ihre Schulbücher einpackte und den Klassenraum verließ.
    George nahm den Tafelschwamm und begann, die Namen und Daten von Heinrichs sechs Königinnen abzuwischen. Als er sich umdrehte, stellte er fest, dass Graves immer noch an seinem Platz saß.
    »Können Sie mir die sechs Namen nennen, Robert, und die Jahre, in denen sie zur Königin gekrönt wurden?«, fragte er.
    »Catherine of Aragon, 1509, Anne Boleyn, 1533, Jane Seymour, 1536, Anne of Cleves, 1540, Catherine Howard, 1540, und Catherine Parr, 1543.«
    »Nächste Woche verrate ich Ihnen einen einfachen Trick, um sich ihr Schicksal zu merken.«
    »Geschieden, geköpft, gestorben, geschieden, geköpft, überlebt. Das haben Sie uns bereits letzte Woche erklärt, Sir.«
    »Hab ich das?«, sagte George und legte den Schwamm zurück auf seinen Schreibtisch, anscheinend ohne zu bemerken, wie viel von der Kreide an seinem Talar haften blieb.
    George folgte Graves aus dem Klassenraum und schritt über den Schulhof zum Gemeinschaftsraum des Lehrpersonals, um sich für die morgendliche Pause seinen Kollegen anzuschließen. Obwohl er sich zu einem Lehrer entwickelt hatte, der sowohl bei der Mehrheit des Kollegiums als auch bei den Jungen beliebt war, wusste er sehr gut, dass nicht alle seine Kollegen das billigten, was sie mit gedämpften Stimmen seinen Laissez-faire -Stil nannten. Ein oder zwei von ihnen vertraten offen die Meinung, dass die Disziplinlosigkeit in seinem Unterricht ihre eigene Autorität untergrabe, besonders wenn sie, am selben Tag wie er, die fünfte Klasse unterrichten mussten.
    Als Dr. Rendall beschloss, es sei an der Zeit, Mallory zur Seite zu nehmen und ein ernstes Wort mit ihm über das Thema zu reden, erklärte George ihm lediglich, er glaube an Selbstentfaltung. Wie sollte ein Junge sonst herausfinden, welches Potential in ihm steckte? Da der Schuldirektor keine Ahnung hatte, was mit »Selbstentfaltung« gemeint sein könnte, entschied er, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Schließlich würde er sich am Ende des Schuljahres zur Ruhe setzen, und dann wäre jemand anders dafür zuständig.
    George hatte unter seinen Kollegen nur einen wirklichen Freund gefunden. Andrew O’Sullivan war zur gleichen Zeit wie er in Cambridge gewesen, obgleich sie einander nie begegnet waren. Er hatte am Fitzwilliam College Geographie studiert und einen Boxwettkampf gewonnen, und trotz der Tatsache, dass er keinerlei Interesse am Bergsteigen zeigte, und noch weniger an den Überzeugungen des Quintus Fabius Maximus, hatten George und er sich auf Anhieb in der Gegenwart des anderen wohl gefühlt.
    Als George das Gemeinschaftszimmer betrat, entdeckte er Andrew zusammengesunken und in die

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