Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
Vom Netzwerk:
Zeitung vertieft in einem Ledersessel nahe dem Fenster. George schenkte sich eine Tasse Tee ein und schlenderte hinüber zu seinem Freund.
    »Haben Sie heute schon die Times gelesen?«, fragte Andrew.
    »Nein«, sagte George, stellte Tasse und Untertasse auf den Tisch zwischen ihnen. »Das hole ich für gewöhnlich nach der Abendandacht nach.«
    »Der Korrespondent der Zeitung in Delhi«, erklärte Andrew, »berichtet, Lord Curzon habe ein Abkommen mit dem Dalai-Lama ausgehandelt, das einer Gruppe ausgewählter Bergsteiger gestattet …«
    Eine Spur zu hastig beugte George sich vor und stieß dabei die Teetasse seines Kollegen um. »Verzeihung«, sagte er und schnappte sich die Zeitung. »Die Royal Geographical Society lädt interessierte Parteien ein, sich zu bewerben«, fuhr Andrew fort. »Gehören Sie, mein lieber Mallory, zufällig zu diesen interessierten Parteien?«
    George wollte nicht antworten, ehe er etwas gründlicher über die Frage nachgedacht hatte, und war erleichtert, als die Glocke den Lehrern das Ende der Pause in fünf Minuten ankündigte, und ihn damit einer Antwort enthob.
    »Nun«, sagte Andrew, als er sich aus seinem Sessel erhob, »wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, diese heikle Frage zu beantworten, gestatten Sie mir, Ihnen eine weniger anspruchsvolle zu stellen. Haben Sie am Donnerstag schon irgendetwas anderes vor, außer die Times zu lesen?«
    »Die Aufsätze der Fünften über die Armada zu korrigieren«, sagte George. »Ich glaube fast, diese Bande empfindet ein sadistisches Vergnügen dabei, die Geschichte umzuschreiben. Wainwright scheint sogar zu glauben, die Spanier hätten die Schlacht gewonnen, und Drake sei im Tower gelandet.«
    Andrew lachte. »Es ist nur so, dass einer der Schulpräsidenten, ein gewisser Mr Thackery Turner, mich für den Abend zum Dinner eingeladen und mich gebeten hat, jemanden mitzubringen.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie an mich gedacht haben, Andrew«, sagte George, als sie aus dem Gemeinschaftsraum in den Hof gingen, »aber ich nehme an, Mr Turner dachte eher an einen weiblichen Jemand.«
    »Das bezweifle ich«, erwiderte Andrew. »Zumindest nicht, solange er noch drei unverheiratete Töchter hat.«

18
    Donnerstag, 12. Februar 1914
    George rieb seine Queue mit Kreide ein. Thackery Turner hatte ihm vom ersten Moment an gefallen. Ungeschminkt, offen und geradeaus, wenn auch ein wenig altmodisch, stellte er fortwährend den Mut des anderen auf die Probe.
    Andrew hatte George auf dem Weg zu Turners Haus erzählt, dass dieser von Beruf Architekt war. Als George entlang der langen Lindenallee gefahren wurde, bis er Westbrook zum ersten Mal erblickte, brauchte ihm niemand zu erklären, warum Turner in seinem Beruf so erfolgreich war. Das Herrenhaus lag eingebettet in die Hügel Surreys, umgeben von überaus prachtvollen Blumenrabatten, Rasenflächen und einem tiefer liegendem Wassergarten.
    Noch ehe sie die oberste Stufe erreicht hatten, hatte ein Butler ihnen bereits die Tür geöffnet. Schweigend führte er sie durch einen langen Korridor ins Billardzimmer, wo Turner sie bereits erwartete. Seine Smokingjacke lag über der Lehne eines Sessels, woraus George schloss, dass er kampfbereit war.
    »Wir haben noch Zeit für ein Spiel, ehe die Damen zum Dinner herunterkommen«, waren Turners erste Worte an seine Gäste. George bewunderte das lebensgroße Portrait von Lavery über dem Kamin, das seinen Gastgeber zeigte. Weitere Aquarelle aus dem 19. Jahrhundert schmückten die Wände – einschließlich eines Bildes vom Namensvetter seines Gastgebers. Schließlich legte George sein Jackett ab und rollte die Ärmel auf.
    Sobald die drei Kugeln auf dem grünen Filz in Position lagen, erkannte George rasch einen weiteren Charakterzug seines Gastgebers. Mr Turner liebte es zu gewinnen, und er erwartete zu gewinnen. Er hatte indes nicht vorausgesehen, dass George es hasste zu verlieren. George war nicht sicher, ob Andrew sich einfach nur damit zufriedengab, dem alten Mann eine Freude zu bereiten, oder ob er kein so guter Spieler war. Wie auch immer, George war jedenfalls nicht gewillt, den Erwartungen seines Gastgebers ohne Weiteres zu entsprechen.
    »Sie sind am Zuge, alter Knabe«, sagte Turner, nachdem er mit einem Stoß elf Punkte erzielt hatte.
    George nahm sich die Zeit, gründlich abzuwägen, und als er Andrew seine Queue reichte, hatte er mit einem Stoß vierzehn Punkte eingeheimst. Turner wurde rasch klar, dass er es mit einem ihm ebenbürtigen

Weitere Kostenlose Bücher