Berg der Legenden
sie dir, wie Horatius, auf der Brücke zur Seite stehen, während ich befürchte, dass Herford dir schrittweise ebenbürtig werden wird, falls er für den Gipfelaufstieg ausgewählt wird.«
»Und Finch?«, fragte George und warf einen raschen Blick auf seine Braut.
Ruth zögerte. Der Ton ihrer Stimme veränderte sich. »Er würde alles, und ich meine alles , dafür tun, den Gipfel dieses Berges vor dir zu erreichen.«
»Was macht dich da so sicher, Liebes?«, fragte George überrascht.
»Als ich an deinem Arm aus der Kirche kam, sah er mich an, als sei ich immer noch eine unverheiratete Frau.«
»Genau wie vermutlich viele Junggesellen beim Gottesdienst«, sagte George. »Einschließlich Andrew O’Sullivan.«
»Nein. Andrew sah mich an, als wünschte er, dass ich noch unverheiratet wäre. Das ist ein himmelweiter Unterschied.«
»Du könntest recht haben mit Finch«, gab George zu, »aber es gibt keinen Bergsteiger, den ich lieber an meiner Seite hätte, wenn es darum geht, die letzten dreihundert Meter eines Berges anzupacken.«
»Einschließlich des Mount Everest?«
»Besonders Chomolungma.«
***
Kurz nach sieben Uhr an diesem Abend erreichten die Mallorys ihr kleines Hotel in Crewkerne. Der Hoteldirektor wartete am Eingang, um sie zu begrüßen, und sobald sie sich im Gästebuch – zum zweiten Mal als Mr und Mrs Mallory – eingetragen hatten, begleitete er sie zur Hochzeitssuite.
Sie packten ihre Koffer aus und dachten dabei, ohne es indes zu erwähnen, an das Einzige, was sie im Kopf hatten. Nachdem sie diese einfache Aufgabe erledigt hatten, ergriff George die Hand seiner Frau und führte sie hinunter in den Speisesaal. Ein Kellner reichte ihnen eine umfangreiche Speisekarte, die sie schweigend studierten, ehe sie ihre Bestellungen aufgaben.
»George, ich frag mich«, begann Ruth, »ob du …«
»Ja, Liebes?«
Ruth hätte den Satz vollendet, wenn der Kellner nicht mit zwei Tellern kochend heißer Tomatensuppe zurückgekommen wäre, die er vor ihnen auf den Tisch stellte. Sie wartete, bis der Mann außer Hörweite war, ehe sie es erneut versuchte.
»Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie nervös ich bin, Liebster?«
»Nicht halb so nervös wie ich«, gestand George, ohne den Löffel in die Hand zu nehmen.
Ruth senkte den Kopf. »George, ich glaube, du solltest wissen …«
»Ja, Liebes?«, sagte George und ergriff ihre Hand.
»Ich habe noch nie einen nackten Mann gesehen, ganz zu schweigen …«
»Habe ich dir je von meinem Besuch im Moulin Rouge erzählt?«, fragte George in dem Versuch, die Anspannung zu lockern.
»Schon oft«, lächelte Ruth. »Und die einzige Frau, für die du bei der Gelegenheit irgendein Interesse gezeigt hast, war Madame Eiffel, und selbst sie hat dich verschmäht.«
George lachte, und ohne ein weiteres Wort erhob er sich und nahm seine Frau bei der Hand. Ruth lächelte erneut, als sie den Speisesaal verließen, und hoffte nur, dass niemand sie fragen würde, warum sie nicht einmal von der Suppe gekostet hatten.
Rasch stiegen sie die drei Treppenabsätze hinauf, ohne etwas zu sagen. Als sie vor ihrer Tür standen, nestelte George lange mit dem Schlüssel herum, bis er es schließlich schaffte, sie aufzuschließen. Sobald sie im Zimmer waren, nahm er seine Frau in die Arme. Schließlich ließ er sie los, trat einen Schritt zurück und lächelte. Langsam legte er Jackett und Krawatte ab, ohne sie auch nur einmal aus den Augen zu lassen. Ruth erwiderte sein Lächeln und knöpfte ihr Kleid auf, ließ es auf den Boden fallen und stand in einem langen, seidenen Unterkleid vor ihm, das bis über die Knie reichte. Langsam zog sie es über den Kopf, und sobald es neben dem Kleid auf dem Boden lag, schloss George sie in die Arme und küsste sie. Sie versuchte, ihm die Hose auszuziehen, während er am Verschluss ihres BHs herumtastete. Sobald sie beide nackt waren, standen sie einfach nur da und starrten sich einen Moment an, ehe sie aufs Bett fielen. George streichelte ihr langes, kastanienbraunes Haar, und Ruth küsste ihn zärtlich, als sie langsam den Körper des anderen zu erforschen begannen. Rasch begriffen sie, dass es nichts gab, wovor man sich fürchten müsste.
Nachdem sie sich geliebt hatten, ließ Ruth sich zurück ins Kissen sinken und sagte: »Nun, Mr Mallory, mit wem würden Sie lieber die Nacht verbringen, mit Chomolungma oder mit mir?«
George lachte so laut, dass Ruth ihm die Hand auf den Mund legte, aus Angst, man könnte ihn im Nebenzimmer
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