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Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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schlechte – zumeist schlechte, fürchte ich.« George schwieg, während Young versuchte, sich zu fassen. »Rupert Brooke ist bei Lemnos gestorben, als er auf dem Weg nach Gallipoli war – noch ehe er irgendein gegnerisches Feld erreicht hatte.«
    George schürzte die Lippen. Er hatte einen Band mit Brookes Gedichten in seinem Tornister und angenommen, dass Brooke, sobald der Krieg vorüber war, gewiss einige bemerkenswerte Verse zu Papier bringen würde. Doch er sagte nichts, sondern wartete auf die anderen Namen, die dieser unvermeidlichen Totenliste hinzugefügt werden würden. Einen Namen fürchtete er besonders.
    »Siegfried Herford erwischte es in Ypern. Der arme Teufel brauchte drei Tage zum Sterben.« Young seufzte. »Wenn ein Mann wie er vor seiner Zeit sterben muss, sollte es nicht auf irgendeinem verschlammten Acker im Niemandsland sein, sondern auf dem Gipfel eines großartigen Berges, den er gerade bezwungen hat.«
    »Und Somervell?«, wagte George zu fragen.
    »Er muss Zeuge einiger der schlimmste Gräuel geworden sein, die dieser Krieg einem Menschen zumuten kann, der Ärmste. Wundarzt an vorderster Front zu sein, ist bestimmt kein Spaß, aber er beschwert sich nie.«
    »Odell?«
    »Wurde dreimal verwundet. Am Ende hat das Kriegsministerium den Wink des Schicksals verstanden und ihn zurück nach Cambridge geschickt, aber erst, nachdem sein altes College ihn als Fellow haben wollte. Jemand dort oben ist endlich dahintergekommen, dass wir unsere besten Köpfe brauchen werden, sobald diese Sauerei aus der Welt geschafft ist.«
    »Und Finch? Ich wette, er hat irgendwo ein warmes Plätzchen gefunden, wo er sich um die Krankenschwestern kümmern kann.«
    »Ganz im Gegenteil«, erklärte Young. »Er hat sich freiwillig zum Bombenräumkommando gemeldet, wo er mittlerweile eine Einheit anführt, so dass seine Überlebenschancen noch schlechter sind als bei den Jungs an der Front. Er hat mehrfach Angebote für einen sicheren Job in Whitehall ausgeschlagen – es ist fast so, als wolle er sterben.«
    »Nein«, sagte George, »er will nicht sterben. Finch gehört zu den seltenen Menschen, die sich nicht vorstellen können, dass irgendetwas oder irgendjemand sie umbringen kann. Wissen Sie noch, wie er ›Waltzing Matilda‹ auf dem Montblanc gesungen hat?«
    Young lachte leise. »Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, werden sie ihm einen Ritterorden verleihen.«
    »Allmächtiger«, lachte George, »dann wird ihn nichts mehr aufhalten.«
    »Außer Ihnen«, sagte Young ruhig, »sobald Ihr Knöchel verheilt ist. Ich wette immer noch, dass Sie beide die ersten Menschen auf dem höchsten Punkt der Welt sein werden.«
    »Zusammen mit Ihnen, uns wie immer einen Schritt voraus.«
    »Ich fürchte, das wird nicht mehr möglich sein, alter Knabe.«
    »Warum nicht? Sie sind immer noch ein junger Mann.«
    »Das schon«, sagte Young, »aber es dürfte nicht ganz einfach sein, mit so einem Ding.« Er zog sein linkes Hosenbein hoch und zeigte seine Beinprothese.
    »Das tut mir so leid«, sagte George schockiert. »Ich hatte ja keine Ahnung.«
    »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen, alter Knabe«, erwiderte Young. »Ich bin nur dankbar, dass ich noch am Leben bin. Aber sobald dieser Krieg vorbei ist, dürfen Sie dreimal raten, wen ich dem Mount-Everest Komitee als bergsteigerischen Leiter empfehle.«
    ***
    Ruth saß im Salon am Fenster, als ein khakifarbener Wagen durch das Eingangstor fuhr. Sie konnte nicht erkennen, wer hinter dem Steuer saß, nur, dass er oder sie eine Uniform trug.
    Als die junge Fahrerin aus dem Auto stieg und die hintere Tür öffnete, war Ruth bereits draußen. Das Erste, was sie sah, war ein Paar Krücken, gefolgt von zwei Beinen, gefolgt von ihrem Mann. Ruth stürmte die Treppe hinunter und schlang ihm die Arme um den Hals. Sie küsste ihn, als wäre es das erste Mal, was die Erinnerung an das Schlafwagenabteil im Zug von Venedig nach Hause wachrief. Die Fahrerin stand in Habachtstellung daneben und machte ein leicht verlegenes Gesicht.
    »Danke, Corporal«, sagte George und grinste. Sie salutierte, stieg zurück in den Wagen und fuhr davon.
    Schließlich ließ Ruth George los, aber nur, weil er sich weigerte, sich von ihr die Treppe hinauf ins Haus helfen zu lassen. Als sie an seiner Seite den Salon betrat, wollte George wissen: »Wo ist mein kleines Mädchen?«
    »Sie ist mit Clare und dem Kinderfräulein im Kinderzimmer. Ich werde sie holen.«
    »Wie heißt sie?«, rief George ihr nach,

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