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Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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dann kommen wir zurück und erstatten Meldung.«
    »Nein, Sergeant«, sagte George. »Nicht Matthews. Sein Urlaub fängt morgen an.« Er blickte hinüber zu Perkins, der leichenblass geworden war und zitterte. George brauchte ihn nicht zu fragen, wie die Chancen standen, dass irgendjemand zurückkommen und Meldung erstatten könnte. »Ich denke, ich werde Sie dieses Mal begleiten, Sergeant.«
    Als George in Winchester gewesen war, hatte er beim Sport eine Viertelmeile unter einer Minute geschafft, und am Ende des Rennens war er nicht einmal außer Atem gewesen. Er wusste nicht, wie lange es dauerte, bis Davies, Perkins und er die vorderste Linie erreichten, aber als er sich in den Schützengraben warf, war er erschöpft und entsetzt und wusste genau, was die Männer hier vorne jede Minute, jeden Tag und jede Nacht auszuhalten hatten.
    »Halten Sie Ihren Kopf unten, Sir«, sagte Davies, während er mit einem Feldstecher das Schlachtfeld beobachtete. »Der Vorposten ist etwa hundert Meter entfernt, Sir, auf ein Uhr.« Er reichte George den Feldstecher.
    George stellte das Fernglas scharf, und sobald er den Vorposten entdeckt hatte, konnte er genau erkennen, warum die Kommunikation zusammengebrochen war. »Also gut, dann wollen wir mal weiter«, sagte er, ehe er Zeit hatte, darüber nachzudenken, wohin er weiterlaufen musste. Er sprang aus dem Schützengraben und rannte, wie er noch nie gerannt war, im Zickzack durch wassergetränkte Gruben und eine Brühe aus schwarzem Matsch auf den Vorposten zu. Er blickte nie zurück, denn er war sicher, dass Perkins und Davies dicht hinter ihm waren. Doch er irrte sich. Perkins wurde nach nur einem Dutzend Schritten von einer Kugel niedergestreckt und stürzte sterbend in den Schlamm, während Davies fast sechzig schaffte, ehe er getötet wurde.
    Der Vorposten war nur noch zwanzig Meter von George entfernt. Fünfzehn davon hatte er geschafft, als die Mörsergranate vor seinen Füßen explodierte. Zum ersten und letzten Mal in seinem Leben sagte er Scheiße . Er fiel auf die Knie, dachte an Ruth, und brach mit dem Gesicht nach unten im Schlamm zusammen. Lediglich ein weiterer Fall für die Statistik.

27
    Die regelmäßigen Briefe blieben plötzlich aus; dies war immer das erste Zeichen, allzu häufig gefolgt von einem unwillkommenen Telegramm.
    Ruth hatte sich angewöhnt, jeden Morgen im Erker des Salons am Fenster zu sitzen, die Hände auf dem stetig anschwellenden Bauch, dreißig Minuten, bevor der alte Mr Rodgers mit dem Fahrrad die Auffahrt heraufkam. Sobald er in Sichtweite war, versuchte sie, seine Miene zu ergründen. War es ein Briefgesicht oder ein Telegrammgesicht? Sie rechnete damit, dass sie die Wahrheit kennen würde, lange bevor er die Tür erreichte.
    Gerade als sie Mr Rodgers erblickte, wie er durch das Tor kam, begann Clare zu weinen. Hatte sie noch einen Vater? Oder war George gestorben, ehe sein zweites Kind geboren war?
    Ruth stand an der Tür, als Mr Rodgers aufhörte zu treten, bremste und am Fuß der Treppe anhielt. Es folgte stets der gleiche Ablauf: Er stieg vom Fahrrad, wühlte in seiner Postbotentasche herum, zog die entsprechenden Briefe heraus und stieg schließlich die Treppe empor, um sie Mrs Mallory zu überreichen. Heute war es nicht anders. Oder doch? Als Mr Rodgers die Treppe emporstieg, blickte er zu ihr hoch und lächelte. Dies war kein Telegrammtag.
    »Zwei Briefe heute, Mrs Mallory, und wenn ich mich nicht irre, ist einer davon von Ihrem Mann«, fügte er hinzu und reichte ihr einen Umschlag mit Georges Handschrift.
    »Danke«, sagte Ruth, beinahe unfähig, ihre Erleichterung zu verbergen. Dann dachte sie daran, dass sie nicht die Einzige war, die jeden Tag solche Qualen durchmachen musste. »Irgendwelche Neuigkeiten von Ihrem Sohn, Mr Rodgers?«, fragte sie.«
    »Leider nein«, erwiderte der Postbote. »Allerdings war unser Donald noch nie ein großer Briefeschreiber, so dass wir die Hoffnung nicht aufgeben.« Er stieg wieder auf sein Fahrrad und fuhr davon.
    Ruth hatte Georges Brief bereits aufgerissen, noch ehe sie den Salon erreicht hatte. Sie kehrte zu ihrem Platz am Fenster zurück, ließ sich zurücksinken und begann zu lesen, zuerst schnell, und dann sehr langsam.
    12. Januar 1917
    Meine Liebste,
    Ich lebe, obgleich ich nicht gerade munter bin. Beunruhige Dich nicht. Alles, was ich zu beklagen habe, ist ein gebrochener Knöchel. Es hätte wesentlich schlimmer kommen können. Der Arzt sagt, dass ich mit der Zeit wieder völlig

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