Berg der Legenden
zwei Jahren geschieden«, las Hinks vor, »und es tut mir leid, dem Komitee mitteilen zu müssen, dass eine dritte Partei involviert war.«
»Dieser Schuft«, sagte Ashcroft.
»Kein Mann, dem man vertrauen könnte«, sagte Raeburn.
»Ehrlich gesagt«, sagte George und ignorierte alle beide, »ist es mir, wenn wir es schaffen, 8200 Meter hochzusteigen, einigermaßen gleichgültig, ob mein Seilpartner geschieden, ein Witwer oder meinetwegen sogar ein Bigamist ist. Ich versichere Ihnen, Mr Hinks, dass dort oben niemandem auffällt, ob er einen Ehering trägt oder nicht.«
»Ich will versuchen zu verstehen, was Sie gesagt haben, Mallory«, sagte Hinks mit rotem Gesicht. »Wollen Sie dem Komitee weismachen, Sie würden die letzten sechshundert Meter des Mount Everest mit jedem gehen, vorausgesetzt, Sie schaffen es bis zum Gipfel?«
»Mit jedem«, sagte George ohne Zögern.
»Selbst mit einem Deutschen?«, fragte Hinks ruhig.
»Selbst mit dem Teufel«, erwiderte George.
»Aber, aber, mein Lieber«, sagte Ashcroft, »diese Bemerkung war nun wahrlich unnötig.«
»Nicht annähernd so unnötig, wie fünftausend Meilen von zu Hause einen sinnlosen Tod zu sterben, nur weil ich nicht den richtigen Seilpartner habe«, sagte George.
»Ich freue mich, Ihre starken Empfindungen im Protokoll vermerken zu können, Mallory«, sagte Hinks, »aber unsere Entscheidung Finch betreffend ist unumstößlich.«
George schwieg einen Moment. »Dann können Sie, Mr Hinks, ebenfalls im Protokoll vermerken, dass ich auf meinen Posten als bergsteigerischer Leiter und auf diesen Platz im Komitee verzichte.« Mehrere der Männer, die am Tisch saßen, begannen auf einmal zu sprechen, doch George ignorierte sie und fügte hinzu: »Ich bin nicht bereit, meine Frau und meine Kinder für mindestens sechs Monate zu verlassen, um an einer Mission teilzunehmen, die allein daran scheitert, weil sie den besten Bergsteiger außen vor lässt.«
Sir Francis hatte die Stimme gehoben, um sich in dem nun folgenden Tumult Gehör zu verschaffen. »Gentlemen, Gentlemen«, sagte er und tippte mit dem Stift gegen sein Brandyglas. »Offensichtlich haben wir uns festgefahren, und es gibt nur einen Weg, um aus der Sackgasse herauszukommen.«
»Was haben Sie vor, Herr Vorsitzender?«, fragte Hinks argwöhnisch.
»Wir werden abstimmen müssen.«
»Aber ich hatte keine Zeit, die nötigen Stimmzettel vorzubereiten«, brauste Hinks auf.
»Wir werden keine Stimmzettel brauchen«, sagte Sir Francis. »Schließlich ist die Entscheidung einfach genug. Soll Finch mit zur Bergsteigergruppe gehören oder nicht?« Hinks sank auf seinem Sessel zurück und bemühte sich, ein Lächeln zu verbergen.
»Sehr gut«, sagte Sir Francis. »Würden bitte die Mitglieder, die dafür sind, dass Finch mit zu den Bergsteigern gehört, die Hand heben?«
Mallory und Young hoben ohne Umschweife die Hände, und zu jedermanns Überraschung schloss General Bruce sich ihnen an.
»Gegenstimmen?«, fragte der Vorsitzende.
Hinks, Raeburn und Ashcroft hoben ohne Zögern die Hand.
»Das sind je drei Stimmen«, sagte Hinks und notierte das Ergebnis in seinem Protokollbuch. »Was Ihnen, Herr Vorsitzender, die ausschlaggebende Stimme gibt.«
Jeder am Tisch blickte Sir Francis an. Er überdachte seine Entscheidung einige Augenblicke, ehe er sagte: »Ich stimme für Finch.«
Hinks hielt seinen Stift über dem Protokollbuch und schien außerstande, die Wahl des Vorsitzenden zu notieren. »Herr Vorsitzender«, sagte er, »nur für das Protokoll – dürfen wir erfahren, was Sie zu dieser Entscheidung bewogen hat?«
»Aber gewiss«, sagte Sir Francis. »Ich bin nicht derjenige, von dem verlangt wird, sein Leben zu riskieren, wenn Mallory die 8200 Meter erreicht.«
35
Die kleine Messingklingel über der Tür läutete.
»Guten Morgen, Mr Pink«, sagte George, als er das Ladengeschäft von Ede & Ravenscroft betrat.
»Guten Morgen, Mr Mallory. Womit kann ich Ihnen heute dienen, Sir?«
George beugte sich über den Tresen. »Ich wurde gerade als Expeditionsmitglied für die Besteigung des Mount Everest ausgewählt«, flüsterte er.
»Wie interessant, Mr Mallory«, sagte der Geschäftsführer. »Keiner unserer Kunden hat je einen Ferienaufenthalt in diesem Teil der Welt geplant, darf ich Sie also bitten, mir zu verraten, was für ein Wetter Sie dort erwartet?«
»Nun, da bin ich mir alles andere als sicher«, räumte George ein. »Aber so weit ich das einschätzen kann, müssen wir ab einer
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