Berg der Legenden
große, reich verzierte Marmorhalle, wo die Gastgeber bereitstanden, um die Gäste zu begrüßen. General Bruce stand neben dem Generalgouverneur und stellte ihm die Expeditionsmitglieder vor.
»Da du so wohlinformiert zu sein scheinst, Guy«, flüsterte George, »wer ist denn die junge Dame neben dem Generalgouverneur?«
»Seine zweite Frau«, sagte Bullock. »Seine erste starb vor ein paar Jahren, und diese …«
»Dies ist Guy Bullock, Sir Peter«, sagte der General. »Er hat sich vom Außenministerium beurlauben lassen, um sich uns anzuschließen.«
»Guten Abend, Mr Bullock.«
»Und dies ist George Mallory, unserer bergsteigerischer Leiter.«
»Dann ist dies also der Mann, der als Erster auf dem Gipfel des Everest stehen wird«, sagte der Generalgouverneur und schüttelte George herzlich die Hand.
»Er hat einen Rivalen«, erklärte Guy grinsend.
»Ach ja«, sagte der Generalgouverneur, »Mr Finch, wenn ich mich recht entsinne. Kann es kaum abwarten, den Burschen kennenzulernen. Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen?«
Nachdem sie sich vor der jungen Dame verneigt hatten, schlenderten George und Guy in einen brechend vollen Raum, wo die einzigen Inder, die zugegen waren, als Diener die Getränke reichten. George entschied sich für einen Sherry und begab sich anschließend zu der einzigen Person, die er wiedererkannte.
»Guten Abend, Mr Mallory«, sagte Russell.
»Guten Abend, Mr Russell«, antwortete George. »Gefällt es Ihnen, hier stationiert zu sein?« Der Austausch von Belanglosigkeiten war noch nie seine Stärke gewesen.
»Prächtig, ich genieße jeden Moment«, erwiderte Russell. »Nur das mit den Eingeborenen ist wirklich Pech.«
»Den Eingeborenen?«, wiederholte George und hoffte, Russell würde scherzen.
»Sie mögen uns nicht«, flüsterte Russell. »Sie hassen uns sogar. Da braut sich Ärger zusammen.«
»Ärger?«, fragte Bullock, der sich zu ihnen gesellt hatte.
»Jawohl. Seit wir diesen Gandhi als Unruhestifter ins Gefängnis geworfen …« Ohne jede Warnung verstummte Russell mitten im Satz und starrte mit offenem Mund über ihre Schultern. Mallory und Bullock drehten sich um, um herauszufinden, was ihm die Sprache verschlagen hatte.
»Gehört der zu Ihnen?«, frage Russell und konnte sein Unbehagen kaum verbergen.
»Ich fürchte ja«, sagte George und unterdrückte ein Grinsen, als er Finch mit der Gattin des Generalgouverneurs plaudern sah. Finch trug ein Khakihemd mit offenem Kragen, grüne Kordhosen und braune Wildlederschuhe ohne Socken.
»Sie sollten sich geschmeichelt fühlen«, mischte Guy sich ein. »Normalerweise betreibt er nicht solchen Aufwand.«
Dem Privatsekretär war offenkundig nicht nach Scherzen zumute. »Dieser Schurke!«, sagte er, als sie beobachteten, wie Finch einen Arm um Lady Davidsons Taille legte.
George rührte sich nicht von der Stelle, als er den General beinahe im Galopp auf sie zustürmen sah.
»Mallory«, rief er mit geröteten Wangen, »schaffen Sie diesen Mann hier raus, und zwar etwas plötzlich.«
»Ich werde mein Bestes geben«, sagte George, »aber ich kann nicht garantieren …«
»Wenn Sie ihn nicht hier rausschaffen, und zwar auf der Stelle«, sagte der General, »werde ich es tun. Und ich versichere Ihnen, das wird kein schöner Anblick.«
George reichte sein leeres Glas einem vorbeikommenden Kellner, ehe er quer durch den Raum zu Finch und der Gemahlin des Generalgouverneurs ging.
»Haben Sie Mallory schon kennengelernt, Sonia?«, fragte Finch. »Er ist mein einziger echter Rivale.«
»Ja, wir wurden einander vorgestellt«, erwiderte die Gattin des Generalgouverneurs und tat, als würde sie Finchs Arm um ihre Taille gar nicht bemerken.
»Bitte verzeihen Sie die Unterbrechung, Lady Davidson«, sagte George, »aber ich muss kurz unter vier Augen mit Mr Finch sprechen, es ist ein kleines Problem aufgetreten.«
Ohne ein weiteres Wort packte er Finch am Ellenbogen und führte ihn eilig aus dem Raum. Guy gesellte sich zu Lady Davidson und begann mit ihr zu plaudern. Ob sie plane, für die Saison nach London zurückzukehren?
»Und, was ist das für ein kleines Problem?«, fragte Finch, sobald sie draußen in der Halle waren.
» Sie sind das Problem«, erwiderte George. »Der General trommelt bereits Freiwillige für ein Erschießungskommando zusammen.« Er geleitete Finch zur Tür hinaus und auf die Auffahrt.
»Wo gehen wir hin?«, fragt Finch.
»Zurück ins Hotel.«
»Aber ich habe noch nicht zu Abend
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