Berg der Legenden
gegessen.«
»Ich glaube, das ist das kleinste Ihrer Probleme.«
»Man hat Sie beauftragt, mich da rauszuschaffen, stimmt’s?«, sagte Finch, als George ihn in eine Rikscha schob.
»So ähnlich«, gab George zu. »Ich habe das Gefühl, das war das letzte Mal, dass wir zu einer der kleinen Soiréen des Generalgouverneurs eingeladen wurde.«
»Sprechen Sie nur für sich, Mallory. Wenn Sie und ich auf dem Gipfel dieses Berges stehen sollten, werden Sie garantiert noch einmal mit dem Generalgouverneur dinieren.«
»Das heißt nicht, dass Sie dabei sein werden«, sagte George.
»Nein, das werde ich nicht. Ich werde oben im Zimmer seiner Lady sein.«
***
George meinte, ein Klopfen an der Tür gehört zu haben, doch es konnte auch im Traum gewesen sein. Beim zweiten Mal war es ein wenig lauter.
»Herein«, sagte er im Halbschlaf. George öffnete ein Auge und sah den General, immer noch in Uniform, auf ihn hinabstarren.
»Schlafen Sie immer bei weit geöffneten Fenstern auf dem Boden, Mallory?«, fragte er.
George öffnete das andere Auge. »Entweder so oder auf der Veranda«, sagte er. »Und ich versichere Ihnen, General«, fügte er hinzu, »dass das hier noch Luxus ist im Vergleich zu dem, wie es in 8200 Meter Höhe sein wird, eingepfercht in einem Zelt mit Finch als einzigem Begleiter.«
»Genau darüber möchte ich mit Ihnen sprechen«, sagte der General. »Sie sollen als Erster erfahren, dass ich beschlossen habe, Finch auf das erste Schiff in Richtung Heimat zu setzten.«
George zog seinen seidenen Morgenmantel an und setzte sich auf den einzigen bequemen Sessel im Zimmer. Langsam füllte er seine Pfeife mit Tabak und ließ sich auch mit dem Anzünden Zeit.
»Finchs Benehmen heute Abend war einfach unentschuldbar«, fuhr der General fort. »Ich stelle fest, dass ich seiner Aufnahme in die Truppe niemals hätte zustimmen dürfen.«
George paffte eine Weile an seiner Pfeife, ehe er antwortete. »General«, sagte er ruhig, »Sie haben nicht die Befugnis, irgendeinen meiner Bergsteiger nach England zurückzuschicken, ohne mich vorher um Rat zu fragen.«
»Ich frage Sie jetzt, Mallory«, sagte der General und hob die Stimme mit jedem Wort.
»Nein, das tun Sie nicht. Sie torkeln mitten in der Nacht in mein Zimmer, um mich darüber in Kenntnis zu setzen, dass Sie beschlossen haben, Finch mit dem ersten Schiff zurück nach England zu schicken. Das ist nicht meine Vorstellung von ›um Rat fragen‹.«
»Mallory«, unterbrach ihn der General, »ich muss Sie nicht daran erinnern, dass ich für die Expedition als Ganzes verantwortlich bin. Ich bin derjenige, der das letzte Wort hat, was jedes einzelne Mitglied der Truppe angeht.«
»Dann werden Sie diese Entscheidung ganz für sich treffen müssen, General, denn wenn Sie Finch auf dieses Schiff setzen, werden ich und der Rest meiner Gruppe mit ihm fahren. Ich bin sicher, dass die RGS höchst interessiert sein wird zu erfahren, warum Sie, im Gegensatz zum Duke of York, nicht einmal in der Lage sind, uns auf den Hügel zu führen, geschweige denn, wieder herunter.«
»Aber, aber …«, stotterte der General. »Sie werden mir doch sicherlich zustimmen, dass man so keine Dame behandelt, Mallory, und schon gar nicht die Gattin des Generalgouverneurs.«
»Niemand weiß besser als ich«, sagte George, »wie anstrengend Finch sein kann, und ganz gewiss wird er in der nächsten Saison keiner Debütantin die Feinheiten des guten Benehmens nahebringen. Doch solange Sie nicht bereit sind, seinen Platz einzunehmen, General, schlage ich vor, dass Sie jetzt ins Bett gehen und einfach nur dankbar sind, dass Finch für mindestens drei Monate keine weiteren Cocktailpartys besuchen wird. Auf dem Weg zum Himalaja wird er wohl kaum noch weiteren Damen über den Weg laufen.«
»Ich muss darüber nachdenken, Mallory«, sagte der General und wandte sich zum Gehen. »Ich werde Sie meine Entscheidung morgen früh wissen lassen.«
»General, ich bin keiner von Ihren Kulis, der sich aus purer Verzweiflung vom Militär hat anwerben lassen. Also sagen Sie mir bitte jetzt , ob ich meine Männer aufwecken soll, um ihnen mitzuteilen, dass wir mit dem ersten Schiff nach England zurückkehren, oder ob ich ihnen etwas Ruhe gönnen kann, ehe sie zur beschwerlichsten Reise ihres Lebens aufbrechen.«
Das Gesicht des Generals war noch röter geworden. »Auf Ihre Verantwortung, Mallory!«, rief er, ehe er aus dem Zimmer stürmte.
»Lieber Gott«, murmelte George, als er seinen Morgenmantel
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