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Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Titel: Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard P. Lovecraft
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riesigen Gebirgszug, ausgereicht, uns vor dem Verlust der Orientierung zu bewahren; aber von jetzt an würden wir ein zusätzliches Hilfsmittel brauchen. Dementsprechend zerrissen wir unser Reservepapier in Fetzen von geeigneter Größe, steckten diese in einen Beutel, den Danforth tragen sollte, und nahmen uns vor, sie so sparsam zu verwenden, wie die Sicherheit es erlauben würde. Auf diese Weise würden wir es wahrscheinlich vermeiden können, uns zu verlaufen, denn es herrschte anscheinend keine nennenswerte Zugluft in dem urzeitlichen Bauwerk. Sollte sie später entstehen, oder sollten unsere Papiervorräte nicht ausreichen, so konnten wir natürlich immer noch zu der lästigen und zeitraubenden Methode in den Stein gekerbter Markierungen Zuflucht nehmen.
    Wie ausgedehnt die Räumlichkeiten wirklich waren, zu denen wir uns Zutritt verschaffen konnten, ließ sich zunächst nicht sagen. Die engen und zahlreichen Verbindungen zwischen den einzelner) Gebäuden ließen vermuten, daß wir über die unter dem Eis gelegenen Brücken von einem ins andere gelangen konnten, mit Ausnahme der Stellen, an denen eingestürzte Mauern oder geologische Risse uns den Durchgang verwehren würden, denn die Vereisung innerhalb der Gebäude war dem Anschein nach sehr gering. Fast überall, wo die Eisschicht durchsichtig gewesen war, hatten wir gesehen, daß die Fenster fest mit Läden verschlossen waren, als sei die Stadt in diesem Zustand verlassen worden, bis schließlich die unteren Partien für alle Zukunft in Eis eingeschlossen wurden. Man hatte tatsächlich den kuriosen Eindruck, daß dieser Ort in einem längst vergangenen Zeitalter mit Vorbedacht verlassen worden und nicht etwa von einer plötzlichen Katastrophe überrascht oder auch nur einem allmählichen Untergang anheimgefallen sei. Hatte man die Vereisung vorhergesehen, und hatte eine namenlose Bevölkerung en masse die Stadt verlassen, um sich eine weniger bedrohte Bleibe zu suchen? Die genauen physiographischen Einzelheiten der Eisbildung in diesem Gebiet würden wir erst später klären können. Die Vereisung war offensichtlich nicht durch eine Gletscherbewegung verursacht worden. Vielleicht war sie durch den Druck angesammelter Schneemassen entstanden, vielleicht als Folge eines Hochwassers, weil der Fluß über die Ufer getreten oder in dem großen Gebirgsmassiv ein alter Gletscherdamm geborsten war. An diesem Ort waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

    VI

    Es wäre ermüdend, wollte ich im einzelnen und der Reihe nach über unsere Wanderung durch diesen unheimlichen Ort uralter Geheimnisse berichten, der jetzt zum erstenmal, nach ungezählten Epochen, von den Tritten menschlicher Füße widerhallte. Dies um so mehr, als ein großer Teil der nachfolgenden dramatischen Enthüllungen sich aus der bloßen Betrachtung der allgegenwärtigen Ornamente an den Mauern ergab. Unsere Blitzlichtphotos von diesen in Stein gemeißelten Bildern werden einiges dazu beitrage n, die Wahrheit dessen zu untermauern, was wir jetzt enthüllen, und es ist beklagenswert, daß wir nicht einen größeren Filmvorrat bei uns hatten. So fertigten wir grobe Skizzen von bestimmten wichtigen Einzelheiten an, nachdem unsere Filme verbraucht waren.
    Das Gebäude, das wir betreten hatten, war groß und weitverzweigt und vermittelte uns eine eindrucksvolle Vorstellung von der Architektur jener namenlosen geologischen Vergangenheit. Die Innenwände waren nicht so massiv wie die Außenmauern, aber in den unteren Stockwerken in ausgezeichnetem Erhaltungszustand. Labyrinthische Komplexität, zu der auch die merkwürdig unregelmäßigen Unterschiede in der Höhe der Stockwerke gehörten, kennzeichnete die gesamte Bauweise; wir hätten uns ohne unsere Papierschnitzelspur sicher gleich zu Anfang verlaufen. Wir beschlossen, zunächst die stärker verfallenen oberen Partien zu erkunden; deshalb stiegen wir im Innern des verschachtelten Gebäudes etwa hundert Fuß höher hinauf, bis wir die oberste Flucht von Kammern erreicht hatten, die sich verschneit und zerbröckelnd dem polaren Himmel darboten. Für den Aufstieg hatten wir uns der abschüssigen, quergeriffelten Steinrampen bedient, die überall anstelle von Treppen zu finden waren. Die Räume, die wir sahen, hatten alle vorstellbaren Formen und Proportionen, von fünfeckigen Sternen über Dreiecke bis zu vollkommenen Kuben. Generell könnte man sagen, daß ihre Grundfläche im Durchschnitt 30x30 Fuß betrug, bei einer Höhe von 20 Fuß, doch gab es

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