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Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Titel: Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard P. Lovecraft
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auch viele größere Gemächer. Nachdem wir die oberen Partien sowie die Räumlichkeiten in Höhe der Eisoberfläche ausgiebig erkundet hatten, stiegen wir Stockwerk um Stockwerk in die eisumschlossenen Teile hinunter, wo sich bald herausstellte, daß wir uns in einem endlosen Labyrinth kommunizierender Kammern und Korridore befanden, dessen Ausdehnung wahrscheinlich weit über dieses eine Gebäude hinausging. Ringsum war alles von einer zyklopischen Wucht und Riesenhaftigkeit, die uns mehr und mehr bedrückte; und es lag etwas Unfaßbares, zutiefst Unmenschliches in allen Umrissen, Dimensionen, Proportionen, Dekorationen und baulichen Feinheiten des blasphemisch alten Mauerwerks. Aufgrund dessen, was die Gravierungen verrieten, waren wir schon bald überzeugt, daß diese ungeheure Stadt viele Millionen Jahre alt war.
    Noch haben wir keine Erklärung für die Konstruktionsprinzipien, die der widernatürlichen statischen Anordnung der gewaltigen Steinmassen zugrunde lagen, doch hatte man sich augenscheinlich in großem Umfang die Funktion des Bogens zunutze gemacht. In den Räumen, durch die wir kamen, fanden sich keinerlei bewegliche Gegenstände, ein Umstand, der uns in der Vermutung bestärkte, die Stadt sei vorsätzlich aufgegeben worden. Das vorherrschende dekorative Element waren die beinahe allgegenwärtigen Mauerreliefs in ununterbrochenen, drei Fuß breiten horizontalen Friesen, die vom Boden bis zur Decke mit gleich breiten Bändern geometrischer Arabesken abwechselten. Stellenweise fanden sich zwar Abweichungen von dieser Regel, doch herrschte sie bei weitem vor. Oft waren jedoch auf einem der Bänder mit Arabesken glatte Kartuschen mit merkwürdig gruppierten Tupfen in die Wand eingelassen.

    Die Technik, das erkannten wir bald, war ausgereift, vollendet
    und in ästhetischer Hinsicht bis zum höchsten Grad kultivierter Meisterschaft entwickelt, obschon sie in allen Einzelheiten jeder künstlerischen Tradition der menschlichen Rasse zuwiderlief. Was die Feinheit der Ausführung anbetraf, hätten keine Reliefs, die mir je zu Gesicht gekommen sind, sich mit diesen hier messen können. Die winzigsten Feinheiten pflanzlichen oder tierischen Lebens waren trotz des kühnen Maßstabs der Gravierungen mit staunenswerter Lebendigkeit bis ins einzelne nachgebildet, während die konventionellen Motive wahre Wunder an Kunstfertigkeit darstellten. Die Arabesken verrieten eine profunde Kenntnis mathematischer Prinzipien und setzten sich aus merkwürdig symmetrischen Kurven und Winkeln auf der Basis der Zahl fünf zusammen. Die Bilderfriese folgten einer ausgeprägten formalen Tradition und offenbarten eine eigentümliche Behandlung der Perspektive; sie waren jedoch von einer künstlerischen Kraft, die uns trotz der trennenden Abgründe ungeheurer geologischer Zeiträume tief bewegte. Ihre Darstellungsweise basierte auf einer einzigartigen Verbindung des plastischen Prinzips mit der zweidimensionalen Silhouette und verkörperte eine analytische Psychologie, die weit über der irgendeiner bekannten frühen Menschenrasse stand. Es wäre müßig, diese Kunst mit irgendeiner der in unseren Museen vertretenen zu vergleichen. Wer unsere Photographien zu Gesicht bekommt, wird Entsprechungen wohl am ehesten in gewissen grotesken Entwürfen der radikalsten Futuristen entdecken.
    Das arabeske Maßwerk bestand durchweg aus gravierten Linien, deren Tiefe auf unverwitterten Mauern zwischen einem und zwei Zoll schwankte. Wo Kartuschen mit Gruppen von Tupfen auftraten wobei die Tupfen sicherlich Inschriften in einem unbekannten urzeitlichen Alphabet waren -, betrug die Vertiefung der glatten Flächen ungefähr anderthalb Zoll und die der Tupfen einen weiteren halben Zoll. Die Bilderfriese waren versenkte Basreliefs, deren Hintergrund um etwa zwei Zoll gegenüber der ursprünglichen Mauerfläche zurücktrat. An einigen Stellen konnten wir Spuren einstiger Färbung erkennen, doch im allgemeinen hatten ungezählte Äonen jegliche Pigmente, die man einst aufgetragen haben mochte, gänzlich ausgebleicht und getilgt. Je mehr man die fabelhafte Technik studierte, um so mehr mußte man die Bildnisse bewundern. Hinter dem rigorosen Traditionalismus konnte man die minuziöse und akkurate Beobachtungsgabe und zeichnerische Begabung der Künstler erahnen; ja, diese Traditionen selbst dienten dazu, das innerste Wesen oder die kennzeichnende Eigentümlichkeit jedes abgebildeten Gegenstandes zu symbolisieren und hervorzuheben. Auch fühlten wir, daß

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