Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten
ich muß auch das übrige enthüllen, um meinen Entschluß, die weitere Erforschung zu verhindern, rechtfertigen zu können. Wir hatten uns schon sehr nahe an die vorausberechnete Position des Tunneleingangs herangearbeitet nachdem wir über eine Brücke im zweiten Stockwerk an den oberen Rand einer offenbar spitz zulaufenden Mauer gelangt und in einen stark verfallenen Korridor hinabgeklettert waren, der besonders reich an dekadent ziselierten und anscheinend rituellen Reliefs einer späten Stilepoche war als kurz vor halb neun Danforths jugendlich feine Nase uns den ersten Hinweis auf etwas Ungewöhnliches gab. Hätten wir einen Hund bei uns gehabt, so wären wir wohl schon früher gewarnt worden. Anfangs konnten wir noch nicht sagen, was eigentlich mit der bislang kristallreinen Luft nicht in Ordnung war, aber schon nach wenigen Sekunden überfiel uns die Erinnerung nur allzu deutlich. Lassen Sie es mich ohne Umschweife aussprechen. Es war ein Geruch und dieser Geruch war auf kaum merkliche, vage und doch unverkennbare Art verwandt mit jenem, der uns bei der Eröffnung des wahnwitzigen Grabes jenes Ungeheuers, das der arme Lake seziert hatte, Brechreiz verursacht hatte.
Natürlich war die Sache damals nicht gleich so klar, wie sie sich jetzt anhört. Es gab mehrere mögliche Erklärungen, und eine ganze Weile flüsterten wir unentschlossen miteinander. Eins stand jedoch fest: Wir würden uns nicht zurückziehen, ohne der Sache auf den Grund gegangen zu sein, denn da wir nun schon so weit gekommen waren, hätte uns nur noch eine drohende Katastrophe zur Umkehr bewegen können. Dennoch, was wir in diesem Augenblick argwöhnten, war allzu abenteuerlich, um glaubhaft zu erscheinen. Solche Dinge geschahen nicht in einer normalen Welt. Wahrscheinlich war es bloßer irrationaler Instinkt, der uns auch die zweite Taschenlampe ausschalten ließ die dekadenten und düsteren Reliefs, die drohend von den beklemmenden Wänden herabstarrten, lockten uns nicht mehr und der unser weiteres Vordringen in vorsichtiges Schleichen auf Zehenspitzen und behutsames Klettern über den immer stärker mit Trümmern und Schutthaufen bedeckten Boden verwandelte.
Es stellte sich heraus, daß Danforth nicht nur die bessere Nase, sondern auch die schärferen Augen hatte, denn wieder war er es, dem zuerst das merkwürdige Aussehen der Trümmer auffiel, nachdem wir viele halb zugeschüttete Bogengänge passiert hatten, die zu Kammern und Korridoren auf der untersten Ebene führten. Der Schutt sah nicht ganz so aus, wie man es nach zahllosen Jahrtausenden der Verlassenheit erwarten mußte,und als wir zaghaft die zweite Lampe anknipsten, entdeckten wir eine Art Schleifspur, die noch gar nicht alt sein konnte. Zwar gab es wegen des wüsten Durcheinanders der Trümmer keine eindeutigen Spuren, doch wir meinten, an den glatteren Spuren Anzeichen dafür zu entdecken, daß hier schwere Objekte entlanggeschleift worden waren. Einmal glaubten wir zwei parallele Spuren wie von zwei Läufern zu sehen. Das ließ uns abermals innehalten.
Während dieser Pause rochen wir diesmal beide gleichzeitig den anderen Geruch, der von vorne kam. Paradoxerweise war es ein unangenehmerer und doch auch wieder nicht so unangenehmer Geruch im Grunde weniger schrecklich, aber doch unendlich furchterregend an diesem Ort und in Anbetracht des Voraufgegangenen es sei denn, Gedney… Denn was wir rochen, war nichts anderes als simpler, vertrauter Benzingeruch.
Die Motive unserer Handlungsweise nach dieser Entdeckung zu analysieren, will ich den Psychologen überlassen. Wir wußten jetzt, daß irgendeine grauenhafte Fortsetzung der Greuel im Lager in diese nachtschwarze Grabesstätte der Äonen gekrochen sein mußte, weshalb es keinen Zweifel mehr geben konnte, daß Unheimliches sich abspielte oder vor ganz kurzer Zeit abgespielt hatte. Trotzdem ließen wir uns schließlich von brennender Neugier oder Furchtsamkeit oder Selbsthypnose oder dem vagen Gedanken an unsere Verantwortung gegenüber Gedney oder wer weiß wo von weiter treiben. Danforth wisperte wieder von dem Abdruck, den er an der Gassenecke in den Ruinen oben gesehen zu haben meinte, und von dem schwachen, melodieartigen Pfeifen, das er kurz danach aus den unergründlichen Tiefen vernommen hatte und das im Licht von Lakes Berichten über die Sektion möglicherweise eine schreckliche Bedeutung hatte, trotz seiner Ähnlichkeit mit dem Heulen des Sturms an den Höhleneingängen der Berggipfel. Ich für meinen Teil
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