Berge Meere und Giganten (German Edition)
Majelle.
UM TOULOUSE, im heiteren Gebiet der milchweißen Magnolien, der Jukkastauden mit den gelben hängenden Glocken, bewegte sich Venaska, eine schlanke Frau von braungelblicher Hautfarbe und schwarzem dichten Haar. Sie war in dieses Gebiet der Schlangen von Süden gekommen. Der Schnitt ihrer Augen, die Modellierung ihres Gesichts war mehr malayisch als europäisch. Manche nannten sie Mondgöttin. Sie nahm in der milden Fruchtflur der jungen Garonne bald einen ähnlichen Platz ein wie Diuwa im Norden. Mit ihren ruhigen sicheren langsamen Bewegungen, die ein kühlwarmer Leib aus führte, – zierliches Knochengerüst, flaumzarte Haut – drang sie unauffällig in alle Kreise der Schlangensiedler. Ein leicht mokantes Lächeln um die vollen Lippen. Das Gesicht von einem stillen Ernst bedeckt, der ganz seelenhaft war, so seelenhaft, daß die ihr begegneten betroffen waren, zugleich beschämt und erfreut, und sich leicht von ihr führen ließen. Mit einer kleinen Zahl Frauen und Männer, die ihr anhingen, wohnte sie eine Zeitlang am breiten Canal du Midi, am Flüßchen Saone. Man kannte sie nicht, wenn man sie in der sommerlichen gelben Siedlertracht herumgehen sah, die sie anlegte, obwohl sie nichts tat. Man arbeitete ja für sie, brachte ihr von den Fischereiplätzen Hummer, kleine schmackhafte Sardinen, fetten Lachs. Man stritt sich, wer ihr von seinem Feld die süßlich feine Gurke, die Aubergine bringen sollte. Wer den Wein brachte, trank ihn mit ihr. In gelben losen Siedlerhosen ging sie herum, mit der weiten Bluse, an der Brust grüne und schwarze Bänder, ging umschlungen mit Männern und Frauen, sah hier auf zu der fetten Weideflur bei den Hirten, ging lächelnd und träumend unter dem Geplauder ihrer Begleitung die gewundenen Hügelwege, spielte mit den langen Korallohrringen, winkte mit ihrer gelben Hand einer Bäuerin im bunten Kopftuch. Warf ihnen schon weitergehend über die Schulter einen Blick aus ihren dunklen aufstrahlenden Augen zu: das Herz stand ihnen still. Wer vor ihr stand, wen sie ansprach, besonders Frauen, war erregt gebannt. Alle hatten das Verlangen, nach der kühlen festen immer leicht zuckenden Hand. Und war Venaska vorbei, so kam ihnen vor, im Hals, in der Brust, als wäre ihnen etwas geschehen. Sie liefen rasch, es war ihnen zum Ersticken in ihren Kleidern, ihre Augen glänzten. Sie mußten sprechen schwatzen; ihre Herzen klopften rasch, sie kamen nicht zur Beruhigung. Einmal hatte im Norden, zwischen den Kieferwaldungen und Seen der Mark die herrische Marion Divoise gelebt, die Balladeuse, die Mädchen und Männer an sich lockte, ohne daß sie wußte, wie das kam, und die ängstlich sah, wie man auf sie zudrängte, und erregt einsam blieb. Die braungelbe Venaska gab nichts von sich, was sie nicht fühlte. Oft wenn sie mit einer fremden Frau stand, mit ihr Blick in Blick über einem Zaun, einem Busch, die Hand hinüberstreckend, wurde sie blaß, biß sich die Lippen, wandte sich verwirrt ab. So schwächte sie, was sie von sich gab. Von Island fuhren durch das arktische Meer zwischen den Schiffen des Expeditionskorps die großen Frachter, die Hallen mit den ausgespannten leicht surrenden glimmenden Turmalinnetzen. Fische Vögel zogen um die schwimmenden Frachter, Tang Algen wuchsen aus dem Meeresboden; nachts leuchteten die Schiffe, stießen sich von der Meeresoberfläche ab. So wandten sich die Menschen auf den Hügeln und an den Ufern des Canal du Midi und der Saone von ihrem Boden, von der Egge der schlanken aufrechten Gestalt zu, die wie ihresgleichen war, und deren Blick Stimme ihnen mit schmerzhafter Schärfe ins Herz zuckte.
Man hatte ihr, die aus der Marseiller Gegend heraufkam und erzählte, sie wollte nicht mit den Stadtschaften in die Erde gehen, ein flaches Siedlerhaus aus Buchenholz gezimmert unter einer alten Mauer. Feigenbäume mit lockeren dunklen Kronen hielten sich an dem alten Gestein, schüttelten jenseits die bräunlichen Zweige herüber. Dunkelgrün waren ihre Blätter, rauh mit Borsten, an der Unterseite hell weichhaarig. Die birnförmige violette Frucht hielt Venaska oft zwischen den Händen, rollte sie, hob sie zum Kinn. »Das ist ein Gott, wißt ihr, eine Göttin. Ist so glatt außen, wird noch dunkler, braun schwarz. Und inwendig ist grünes Fleisch, rotes Fleisch, das schmeckt wohl. Die Nüsse hält sie damit, die Früchte. Das ist die Feige, meine Göttin.« Sie nestelte sich in das schwarze Haar Zweige mit der jungen Frucht, beschenkte die anderen mit
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