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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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den kostbaren von ihr bestrichenen behauchten Blättern. So ging sie an der sanft fließenden Saone, schlank und biegsam auf hohen Beinen mit leicht vorgewölbtem Leib. Wem sie im Vorüberziehen den Arm um die Schulter legte, ernst und sonderbar fremd, der fühlte, verzaubert in ihr glattes Gesicht blikkend: er hatte noch nie gewußt, was ein Weib ist. Fast, was ein Mensch ist.
    Sie war ohne Scham. Als wenn sie sich bedrückt fühlte, warf sie am Tag oft ihre leichte Jacke ab, bewegte sich, ging mit nacktem wiegenden Oberkörper, bräunliches ebenmäßiges Gebäude, umhauchte Brusthügel, tiefdunkel flach. Und dann, in Menschennähe, waren ihre Arme nur Ranken, die etwas suchten, worum sie sich winden sollten. Ihre Brust atmete leise, gleichmäßig und immer glückvoll. Andere menschliche Ranken, Arme von Männern und Mädchen, schlangen sich mit ihren zusammen. Venaska, Blick in Blick mit dem andern ruhend, gurrte, sprach lieblich, kehlte. Sie wußte nicht, wie streng sie wirkte. Das andere, das an ihrem Körper hing, schauerte in Entzücken, öffnete hingegeben, schon nicht mehr drängend, die Lippen. Hatte in rasch verschwindenden Sekunden einen Hang, sich zu lösen, abzuziehen. Venaskas Augen fingen an, sich zu weiten, tiefschwarz mütterlich leidend zu gluten. Ein Erliegendes hatte sie an ihrer Brust. Dem streichelte sie die Schultern, die Ohren, den Hinterkopf, strich über seinen Nasenrücken; ihre Augen blitzten auf. Es kam ein Augenblick, wo das andere schlief in ihren Armen, ihre Berührung erduldete. Was war das für ein Wesen, das seinen hingleitenden Körper umrang, ihn befühlte, Armfläche gleitend über Rumpf und Schenkel, mit jedem Teil seines Leibs verlangte in dem andern zu wurzeln. Als wäre Venaska eine Blase und spritzte aus Stichen und Rissen. Dies Andrängen Zubodenrollen Herumgleiten Herabgleiten Heraufgleiten Sichannageln Abreißen Abwerfen. Das herrische zornige Schreien Keifen wie mit einem Wesen, das nicht anwesend ist, das Sprudeln Stöhnen Keifen Flehen Drohen Wüten. Und wieder Abzittern Lächeln sanftes Flüstern Betteln schmeichelndes Umschlingen. Ruckweises Erstarren, wie wenn die Kraft sich in ihr anstaute. Der Leib versteifte sich bis zu den gestreckten Zehenspitzen, den gebogenen Fingern, den nach rückwärts gedrehten Armen, als vermöchte er sich nicht zu entladen. Und dann ächzendes erschütterndes blindes Hin brechen, Wolken Blitze Gewitter lodernd. Das Wesen aber an dem Körper der braunen flutenden Venaska wurde bewegt, gehoben wie ein Schiff auf dem Meer. Sein Leben aufgewühlt. Sein Körper rang sich zu behaupten. Der Unterschied von Tod und Leben verschwand. Das schluckte ertrinkend stürmisch die Süße. Zuckte an der tosenden Venaska. Ihre Leiber brausten aneinander.
    Und während noch der andere Körper rauchend lag, hob sich Venaska mähnenschüttelnd von ihm ab, stand an einem Pfosten, atmete, tiefer, tiefer. Als wäre die Luft ein Getränk, nahm sie sie zu sich, schlenderte auf den Hof, senkte die Hände in das dunkle Feigengebüsch, ließ die Blätter und Äste um sich schlagen. Kam als die fließende weiche Venaska hervor, die die schlanken Schenkel im Gehen bewegte, den glatthäutigen wiegenden braunen Leib trug, spöttisch lächelnd. Musik sogar ihr tonloser Ruf, Schrecken Sehnsucht um sie. Sie legte ihr karmoisinfarbenes Hemd über, das goldgestickt war, saß im Gras, der bunt behängte schlafende Vulkan.
    Toulouse war in die Erde gestiegen. Die zerfallenden Straßentrümmer Anlagen Forste überzogen die Siedler. In Toulouse setzte sich Venaska nieder. Die Steine Schienen der versunkenen unterirdisch tosenden Riesenstadt ließ sie von den Scharen, die sie mit sich zog, beseitigen. In dieser Ebene wollte sie sitzen, die dunklen Berge der Pyrenäen sehen, die weißgefurchten Kämme am Horizont, bei der uralten prunkenden Serninkirche, die die Stadtschaft nicht angerührt hatte. Die Schlangen bei ihr wußten nicht, was sie zu der Stadtruine zog. Venaska mochte gern zwischen den stummen zersprengten Mauern, in den toten langen Straßen gehen, ihre Schritte furchtsam behorchen. Neugierig umschlich sie Schuttmassen der Fabriken, versteckte sich, wenn Frachtflieger der Stadtschaft in der Luft waren. Entzückt, selig sich anschmiegend stand sie an dem kalten Gestein der Serninkathedrale; sie liebte das gewaltige aus dem Boden strebende Gebäude. Oft sagte sie: dies Gebäude, seinetwegen säße sie hier, das so herrlich sei, und sie wache, daß ihm nichts

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