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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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verhölzert versteinert, so grub sich White Baker ein, an der warmen Gironde, nahe der Diuwa. Wie ein Käfer fiel sie in das Moos und ließ die weichen Lagen über sich zusammenrollen. White Baker bewegte sich an dem Fluß wie die andern, griff auf den Äckern, in den Gärten zu. Hatte aber einen leeren großen Ausdruck, der wie Ernst schien. Rot runzellos ihr Gesicht. In der Kammer bei der Diuwa saß sie stundenlang, blickte durch die offne Tür, ließ den Wind um sich wehen. Die braune Siedlertracht trug sie; ihre schwere fette Hand ruhte auf dem Tischchen, auf dem zusammengeknäult Kräuter Halme lagen, darunter ein zerrissenes weißes Seidenkleid, gebündelt mit einer Lederschnur. Der knöcherne Krähenschnabel Ratschenilas hing daran. An der Wand bauschig völlig unversehrt das brokatene Senatorenkleid. Von der Diuwa geschützt war sie. Hatte sich zum Sitz von berauschenden Geistern gemacht, die nur sie verstand.
    Nahe dem ehemaligen Montauban schwirrte die rote Tika On in Kylins Gruppe. »Welchen Vogel hat man uns geschickt« staunte der harte Kylin, ließ sie gewähren. In seiner Gruppe war schon eine Unruhe, ein süß leidendes Bedrängtsein. Kylin sah, wie man sich wehrte. Tika On, die rothaarige, hatte einen Stachel in sich. Sie mußte sich an menschliche Glieder hängen, sich versuchen. Als Kylin sie die Frauen seiner Gruppe umschlingen sah, Idatto vor ihr hinfiel, zog er sich einen halben Tag zurück. Dann tat er, als hätte er Verlangen nach ihr. Schnurrend, mit dem Kreischen der Erregung folgte die Wilde in ein Buschwerk. Dort erdrosselte er sie.
    In dem Gesträuch zwischen gelbem Ginster und Brennesseln fanden ihn abends Männer, die ihn suchten, bei dem kleinen verkrampften roten Körper. Sie wollten den Körper anfassen, wegheben, um ihn zu begraben. Kylin drohte: »Nicht anrühren. Ruft die anderen. Wo sind die Frauen.« Er wartete, bis Frauen und Idatto kamen. »Wer ist das? Seht! Tika On, die rothaarige. Ein Weib oder ein Mann. Seht sie noch einen Augenblick an. So! Seid ihr ertappt? Ins Gebüsch mit ihr!« Er selbst rollte den Leib tiefer ins Gebüsch, kam hervor, blaß: »Ich hab’ sie erwürgt. Weißt du, Idatto, warum ich sie erwürgt habe.« Idatto in Tränen, bitter mit zuckendem Mund: »Sie war keine Verbrecherin.« »Das ist’s. Ich wußte es. Der Nebel. Er packt dich. Aber wir sind gegen ihn nicht wehrlos. Ich nenne ihn bei Namen, ich sehe ihn, dann ist er weg.« Idatto biß sich die Lippe, weinte laut, hatte das Gesicht hinter seinen Fäusten. Eine kleine Schwarzhaarige brach in plötzliches Schluchzen aus. Streng beobachtete sie Kylin. Er brüllte rot anschwellend: »Habt ihr gesehen, was hier gelegen hat? Ihr habt es noch nicht genug gesehen. Bringt sie wieder her. Ja. Her!« Er riß das Buschwerk zurück von dem kleinen liegenden Körper: »Da ist sie. Ich habe sie erdrosselt. Hab’ es getan. Was habt ihr darauf zu sagen, Idatto? Und du?« »Bedeck sie doch, Kylin.« »Ich hab’ den halben Tag hier gelegen bei der Leiche; ihr habt sie noch lange nicht genug gesehen.«
    Ein bärtiger bronzefarbener Mann trat auf Kylin, nahm ihm die Zweige des Busches aus der Hand: »Es ist nicht leicht für Idatto und für andere. Wir wollen nicht mit ihnen rechten. Und wer weiß, wie unsere Wege gehen. Laß ihnen Zeit.« Da stand Kylin still, kreuzte die Arme auf der Brust: »Das Land fordert Opfer; es kann nicht genug Menschen schlucken. Es ist gut, ein Brandmal am Arm zu haben; es ist gut auch daran zu denken.« Vor ihm schluchzte trotzig Idatto an der Schulter des bärtigen Mannes: »Sage du, war Tika On eine Verbrecherin? War sie nicht lebendig, ein Lebendes, vor dem ich hinfallen darf?« Kylin murmelte etwas, Flimmern in den Augen. Er ging rasch fort. Vor Beginn der Nacht wollte man den Leichnam verbrennen; Kylin schrie: »Die Flamme? Keine Flamme! In die Erde. Ich sage: in die Erde.«
    Eine Spannung und Entfremdung trat zwischen Kylin und seiner Gruppe ein und wuchs, je mehr sie südlich stießen. Sie wollten sich in der fruchtbaren Landschaft hier und da niederlassen, aber Kylin schob sie kalt und ohne Erklärung weiter. Viele dieser gehärteten Menschen schmolzen, wie sie sich über dem Land verbreiteten. Rechts und links blieben sie in den Siedlungen. Sie pflügten sangen lachten mit den Starken Wonnigen an der Garonne, im Languedoc, an den Rhoneufern. Sie kamen sich erlöst vor. Die Urtiere verloren erst jetzt ihr Grauen, Island ließ sie los.
    Wie ein Zeichen hatte Kylin an der Schwelle

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