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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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»Nein. Ich bin selbst hergekommen. Er warf es nur nebenbei hin. Ich wollte dich sehen.« »Was ist an mir zu – sehen, Jonathan. Du kennst mich doch. Du wolltest vielleicht etwas anderes. Von dir hatte ich es nicht geglaubt.« »Was ist, Marion?« »Daß du dich täuschen wirst. Daß ich hier bin, kann ich nicht verheimlichen. Ich schäme mich aber nicht. Gar nicht. Daß dus genau weißt.« »Ich höre, Marion Divoise.« »Ich habe nichts zu verbergen. Da bin ich. Und jetzt schäme du dich, daß du hier hereinkamst.«
    Jonathan, die Arme an der Tür verschränkend, schlug das rechte Bein vor das linke: »Ich bin hier, um dich anzusehen, Marion Divoise. Wenn du noch mehr sprechen willst, sprich.« Sie bog glühend den Kopf über die Seidenfasern auf dem Tisch: »Was wollt ihr mit mir machen.« Und langsam ging der weiße junge Mensch von der Tür weg auf sie zu: »Komm, steh auf.« Und nochmal: »Komm.« Und wie sie finster aufstand, legte er beide Arme um ihre Hüften. Rutschte, plötzlich schluchzend, von innen gestoßen, an ihr herunter: »Tu an ihm, was du willst. Tus, Marion. Ich bin nicht dein Feind.« Und wie sie die Hände herunterließ, zog er sie vor seinen Mund, küßte sie. Sie hob den jungen Menschen an sich hoch, der immer stammelte: »Du bist hier, bei ihm; du bist hier« und ganz außer sich war. Er umschlang ihren Hals. Seine Augen brannten und irrten: »Ich weiß nicht, Marion, was es auf sich hat, daß du hier bist und wer dies gefügt hat. Aber es kann geschehen, daß du mit einem Schlage mich und ihn tötest.«
    Wie sie ihn von sich abdrängen wollte, lachte stöhnte er an ihrem Hals: »Du kennst das Menschenleben nicht, Divoise. Du siehst nur immer zu. Vielleicht jetzt nicht so. Du weißt nicht, was hier geschieht. Und durch dich. Es ist gut. Ich sage dir, es ist gut. Ich habe dich nicht hergerufen, aber nun bist du da, nun ist es geschehen, ich begrüße dich, ich segne dich, daß du herein kamst, Divoise.« So stammelte er, ließ in trunkener Schwelgerei von ihr. Die Hände gegen sein eigenes lächelnd angehobenes Gesicht gelegt, ohne ihre Fragen zu beantworten, stolz, fast feindselig ging er hinaus.
    Eine Wache führte sie auf Marduks Zimmer. Das war ein halbdunkler schmaler hoher Raum, weißlich von allen Seiten blinkend, als sei er mit Blech ausgeschlagen. Schalter Kästen Hebel in Fuß- und Brusthöhe angebracht. Auf dem Tisch, der im Dunkel lag, flammten Tafeln mit Ziffern und Schriftzeichen auf. Trübe blickte sie Marduk, auf einer niedrigen Bank hockend, an, wie sie im helleren Türlicht stand: »Marion, tritt ein.« Sie schöpfte Luft: »Kann ich mich setzen?« Sie saß auf der Bank an der Tür, und wie sie eine Weile den Kopf nach unten gebogen hatte, hielt sie seinen Augen stand: »Marduk, ich will dir etwas von mir sagen. Ich habe ein Kind verloren. Das war ein Schild vor mir. Es ist hin. Auch von dem andern weiß ich nichts mehr. Ich bin schutzlos. Du siehst meine Schande. Ja Schande. Wenn etwas Schande ist, so ist es dies, daß ich hier vor dir auf der Bank sitze.« »Es hat noch keine dagesessen.« »Das tut mir nichts. Ob eine oder keine dagesessen hat. Ich bin nicht eine oder keine. Ich hätte hier nicht sitzen dürfen und nun ist es geschehen und da bin ich.«
    Sie bog ihren Leib nach vorn, ballte die Hände vor dem Mund. Vom Tisch kam es: »Was hast du dahin geworfen, an den Boden?« »Was?« »Das da. Das Dünne. Die Fasern.« »Fasern von dem Tischtuch drüben. Ich hatte sie in der Hand behalten.« »Tu sie weg.« »Was?« »Heb die Fetzen auf, Marion. Sie sollen da nicht liegen.« »Die Fetzen?« »Ja, du sollst sie aufheben. Du hast sie hingeworfen. Wozu wirfst du sie hin.« »Ich heb sie auf, Marduk.« »So tus.« Sie weinte am Boden, die Fasern zusammenlesend: »Ich kann nicht aufstehen. Oh meine armen Hände. Ich kann nicht mehr.« Sie sank mit dem Gesicht auf den Boden. »Marion, erbittere mich nicht, du sollst die Fetzen aufheben und hierher auf den Tisch legen.« »Ich tus ja, Marduk. Ich kann jetzt nicht. Da, da, das sind alle. Jetzt sinds alle.« Sie legte sie vor ihn, stand auf und ab zitternd neben ihm. Er betrachtete sie, erst ungehalten, dann mit freudiger Verachtung, legte die Hand an ihre Hüfte. »Laß das, Marduk. Du denkst, du hast gewonnenes Spiel. Du willst mich wegwerfen. Nimm den Arm weg.« Und eben noch trübe vor sich stierend wogte sie auf und ab, warf sich an ihn auf der Bank, umschlingend, ihn niederziehend: »Doch. Es ist gut. Da bist du. Es

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