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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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Leben in der Wildnis einem Berufsziel zu opfern.
    Ich glaube nicht, dass ich zu »etwas Höherem« geboren bin. Der Mensch wird geboren mit allen Anlagen, Mensch zu werden; mit all seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten, sein ganzes Wesen zu erfassen und seine Grenzen zu erkennen. Mehr nicht.
    Januar 1971
    Ich habe wieder die Gesundheit und den Mut, meinen Tagträumen zu folgen. Also kündige ich meine Stelle als Mittelschullehrer und lebe als »freier« Grenzgänger zufrieden. Weil ich meinen »Hobbys« nachgehe, muss ich nicht glücklicher sein als andere. Ich fühle mich nur befreit vom unangenehmen Druck, etwas nach Stundenplan tun zu müssen.
    Zwei, drei Monate lang habe ich Kompromisse gemacht: unterrichtet, studiert und gelitten. Ich strebte wieder eine Laufbahn als Hoch- und Tiefbauingenieur an, obwohl mir vor diesem Brotberuf graust. Zahlen liefen mir durchs Hirn, als dächte ich im Kreise. Nachts hatte ich Albträume und schlief schlecht.
    Mit dem Aufgeben meiner bürgerlichen Lebensvorstellungen, die ich im Frühjahr 1971 endgültig über Bord werfe, verflüchtigen sich auch die Selbstbegrenzungen, die mich daran gehindert haben, mein Potenzial voll auszuschöpfen. Ich kann trotz aller Anfeindungen von außen leben. Ich tue es, ohne mit mir kämpfen zu müssen, ohne Vorbehalte.
    Viele meiner Freunde glauben heute noch, dass mit dem Tag, als ich mich ganz meiner Leidenschaft verschrieb, der Spaß aufhörte, Bergsteigen nun Arbeit für mich war. Mir kam dieser Tag wie eine Verzauberung vor. Eben weil ich bis dahin oft neben meinen Bedürfnissen hergelebt hatte.
    Ich sehe die Welt so, als sei mein Zustand die Norm. Als hätte ich vor 1971 die Ausnahme gelebt. Meine »Karriere«, wie sie andere später nannten, war keine Angelegenheit des Kalküls. Sie entwickelte sich, als ich die Quelle des Sinngebens in mir selbst erkannt hatte und zu mir stand.
    Januar 2009
    Vierzig Jahre nach der Tragödie am Nanga Parbat kommt diese Geschichte ins Kino. Vier Jahre lang hatte ich mit Joseph Vilsmaier an diesem Stoff gearbeitet, bis es so weit war. Wieder hatte es zuerst gegolten, eine klare Vorstellung vom Endprodukt (der Film auf der Leinwand) zu entwickeln, um dann Schritt für Schritt umzusetzen, was die Drehbuchautoren vorgegeben hatten. So viele Mitarbeiter auch dabei waren, Joseph Vilsmaier behielt die Fäden immer in der Hand. Bis zuletzt.
    Frühjahr 2010
    Von der ersten Filmexpedition im Herbst 2008 bis zur Premiere vergingen eineinhalb Jahre. Dabei habe ich viel gelernt. Vor allem, dass das Schaffen eines Spielfilms ähnlich funktioniert wie das Besteigen eines Berges: in vielen kleinen Schritten und mit einem großen Team. Joseph Vilsmaier war dabei unser Leader, jene Schlüsselfigur, die den Stoff im Kopf und die Mittel beschafft hat. Er war auch der Sprecher für die Sache.

»Sinn wird uns nicht von außen eingetrichtert. Wir geben Sinn.«
    Sinn stiften
    D ie Frage nach Gott lasse ich offen. Ich postuliere ihn nicht. Die Frage nach dem Sinn aber ist nicht nur eine Angelegenheit der Religion. Sinn stiften können wir selbst.
    Wie viel einfacher wäre das Leben, wenn es einen »ewigen Sinn« und eine »unumstößliche Ordnung« gäbe. Wenn ich diese beiden nicht immer neu erfinden müsste. Sinn stiften ist die halbe Anstrengung im Leben und die riskanteste.
    Ich weiß, jahrhundertelang wurden ausschließlich Religionen als Sinnstifter anerkannt. Mir aber reicht allein schon der Gang des Kosmos, um mich als Teil in ihm zu begreifen. Im Chaos, das wir nie vollständig durchschauen, und in der scheinbaren Ordnung, die wir in den Naturgesetzen zu erkennen glauben, ist Sinn nicht vorgegeben, aber hineininterpretierbar.
    Ich halte wenig von unserer Okay-Gesellschaft, die das Sterben ausgrenzt, in der sich alle gegenseitig Lebenslust, Optimismus und Gesundheit vorlügen. Als sei Krankheit eine Sünde, Angst lächerlich und Zuversicht Pflicht. Aber auch ich gehöre zu dieser Gesellschaft. Ob ich will oder nicht.
    Seit meinem »Sterbeerlebnis« am Nanga Parbat habe ich viel mehr als früher den Mut, zu meinem Leben, zu meinen Ängsten, zu meinem Sinn zu stehen. Es ist nicht so, dass ich von allen Sterbeängsten befreit wäre. Nein, die Erkenntnis aber, dass nichts und niemand außer mir selbst meinem Leben Sinn gibt, wurde mir klar. Ist sie banal?
    Ich versuche, mein Leben mit einem

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