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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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überbelichteten individuellen Bewusstsein zu leben und dabei keinen anderen zu stören. So bin ich ausgeglichen, zufrieden, friedvoll. Meiner Erfahrung nach werden Menschen vor allem dann unfriedlich und aggressiv, wenn sie nicht ihr Leben leben dürfen; wenn sie ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Träume unterdrücken, wenn sie den Sinn ihres Daseins von außen aufgepfropft bekommen.
    Das heißt nicht, dass mein Sinn alles rechtfertigt. Wir Menschen leben heute zu so vielen auf einer begrenzten Erde, dass ich nur darüber staunen kann, wie perfekt unsere Verdrängungsmechanismen den großen Gefahren gegenüber funktionieren: den globalen ökologischen (Schwinden des Ozonfilters, Reaktorunfälle, rasante Klimaveränderung) und den sozialen (Überbevölkerung in Asien und Afrika, Völkerwanderung). Es ist, als ob eine ganze Beschwichtigungsindustrie damit beschäftigt wäre, Ängste und Tatsachen in diesem Zusammenhang zu verdrängen. Neben ein paar Umweltschützern und Wissenschaftlern fragen heute nur Kinder voller Angst, ob die Erde noch zu retten ist. Wo in der Politik sind die Sinnstifter, die fähig wären, die ökologischen Fragen anzupacken, wie andere am Beginn des letzten Jahrhunderts die soziale Frage in Europa angepackt haben?
    Wenn es nun um Tod und Leben geht, springt dich die Angst an. Und die Sinnfrage. Meine wiederholten Grenzgänge haben insofern mit Angstlust zu tun, als sich zwischen Lust und Angst der Sinn schiebt.
    Angst gehört zum Grenzgang wie das Risiko. Sie ist ein Signal für eine konkrete Bedrohung. Je sensibler ich für sie bin, umso besser kann ich Gefahren vorbeugen, ausweichen, begegnen. Ich hatte nie Probleme damit, die Angst als Teil meiner Gefühle anzuerkennen. Auch belächle ich die Ängste der anderen nicht.
    Das leidenschaftliche Bekenntnis aller Grenzgänger zum Leben, beginnend bei der sprichwörtlichen Diesseitigkeit des homerischen Menschen, ist Ausdruck der Lust, die, durch Angst gesteigert, ohne Rückfrage als sinnvoll empfunden wird. Ob dieses spontane Sinnerlebnis zu einer nur kurzfristigen artifiziellen Sinnhaf-tigkeit führt oder das intellektuelle Sinnproblem nachhaltig verblassen lässt, weiß ich nicht.
    Ich weiß aber, dass ich mich bei oder nach starken Erfahrungen nicht frage, wozu ich lebe. Es ist dann, als könnte ich den Sinn in meinem Körper spüren, in der Wildnis erblicken wie einen klaren Gedanken. Nicht der Grenzgänger also stellt die Welt auf den Kopf, sondern derjenige, der sich mit allem, was ihm lieb und teuer ist, rundum versichert.
    Ãœber diese Art Sinnerfahrung hinaus gibt der Mensch Sinn, wenn er gewichtet. Und zwar jeder Einzelne. Indem ich etwas – ein Tun, eine Sache, einen Menschen, eine Idee – wichtig, schön, faszinierend finde, mache ich es, sie, ihn sinnvoll. Wir haben nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, Sinn zu geben. Sinn ist nicht zu finden und braucht deswegen nicht gesucht zu werden. Er kommt auch nicht allein und wird nicht erwartet. Er wird gegeben, gestiftet. Von uns.
    Ich möchte betonen, dass »sinnvoll« nicht gleichzusetzen ist mit »nützlich«. Ich stehe zur Aussage am Beginn dieses Buches: Meine Tätigkeit ist nutzlos. Trotzdem kann sie sinnvoll sein. Das hängt von meiner Stimmung ab, von meinem Identifikationsvermögen, vor allem von meinem Einssein mit meinem Tun. Dasselbe gilt für meine Mitmenschen, meine Sache.
    Ich habe nie verstanden, warum so viele Menschen irgendwelchen Sekten verfallen, in Religionen ihre Lebenshaltung suchen, nach eindeutigen Sinnvorgaben hungern. Sich den Sinn von anderen vorgeben lassen macht blind. Ich behaupte nicht, dass Religionen falsch sind. Als Soziallehren waren sie für bestimmte Gruppen eine Zeit lang von großer Wichtigkeit. Aber Sinn will ich in mir selbst greifen können.

    Gerade das Nutzlose am Grenzgang zwingt zum Sinnbegreifen. Oft, wenn ich unterwegs war – in schwierigen, kritischen Augenblicken, aber auch am frühen Morgen bei Sonnenaufgang oder beim Zurückkommen aus lebensfeindlicher Umwelt zum fließenden Wasser und zu den Blumen –, gab es keine Fragen zu stellen. Weil ich die Antwort selbst war. Weil alle Zweifel aufgehoben waren durch mein Da-Sein, durch mein Tun, durch dieses mein Zurückkommen. Der Sinn in mir war definiert durch das, was ich tat, auch wenn es nutzlos war.
    Der Sinn des Selbst, meines Lebens, liegt

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