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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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sich in die umliegenden Hütten verkrochen und sind nicht zum Weitergehen zu bewegen. Bei Regen sei der Weg zu gefährlich. Erst gegen 8 Uhr brechen die ersten auf. Der Koch und zwei andere Männer sind nicht da. Endlich finde ich sie.
    Am polternden Braldo entlang zieht unsere kleine Kolonne taleinwärts. Bis um die Mittagszeit geht alles gut, trotz Nässe und Regen. Plötzlich – ich bin gerade in der Mitte der Gruppe – kommen mir einige Kulis entgegen. Mit angsterfüllten Gesichtern laufen sie an mir vorbei, zurück. Ich kann sie nicht aufhalten.
    Als ich an die Umkehrstelle der Träger komme, bleibe auch ich erschrocken stehen: Ein mit kopfgroßen Steinen gefüllter Lehmfluss sperrt den Weg. Er schießt vor mir vorbei, Dreck und Wasser speiend.
    Nach einigem Überlegen entschließen wir uns, ein Seil über den Seitenbach zu spannen und die Träger zum Weitergehen zu bewegen. Es gelingt uns nicht. Peter und ich erkunden ein weiteres Wegstück und geben auf. Der Steig führt entweder so nahe am Braldo vorbei, dass er von der Gischt überspült wird, oder er verläuft, kaum handbreit, hoch oben an einem steinschlaggefährlichen Hang. Er ist ungemein schlüpfrig. Bei einem Absturz in den reißenden Fluss gäbe es keine Rettung. Ein falscher Tritt, und du bist tot. Bei diesem Regen und dem ständig drohenden Steinschlag können wir den Trägern den Weitermarsch nicht zumuten.
    Wir entschließen uns, zurückzugehen und zu biwakieren. Die Träger verkriechen sich in eine Höhle, wir bauen das Zelt auf. Hoffnung auf besseres Wetter kommt nicht auf.
    16.7.1975
    Grauer Morgen. Es regnet immer noch. Die Träger wollen nicht weiter. Gegen 9 Uhr – nach einstündiger Regenpause – gehen sie los. Wir überqueren den Lehmfluss und eilen angsterfüllt an steinschlaggefährlichen Hängen entlang, die Trägerkolonne immer im Blickfeld.
    Am späten Nachmittag, nach einem anstrengenden Aufstieg, erreichen wir einen neuen Lagerplatz, Tschongo.
    17.7.1975
    Die Etappe von Tschongo nach Askole ist leicht. Das Wetter ist gut, und überall in den Dörfern herrscht reges Treiben. Die Frauen tragen Mist auf die Felder. Die Männer hocken auf den Hausdächern und grüßen uns von Weitem mit ihrem »Salam alaikum«. »Salam«, antworten wir als Gäste.
    Wir haben heute die Mittel und die Freiheit, überall hinzufahren, wohin wir wollen. Doch wir haben nicht das Recht, unsere Kultur, unser Wissen, unsere Religion – wenn wir überhaupt eine haben – irgendwohin als die bessere zu verkaufen oder sie anderen Leuten aufzuzwingen.
    In Askole, dem letzten Dorf, besorgen wir zusätzliche Nahrungsmittel und kontrollieren die Trägervorräte, die für mehr als zehn Tage reichen müssen.
    18.7.1975
    Erstmals schaffen die Träger eine Doppeletappe. An der Hängebrücke in Korophon schlagen wir das Nachtlager auf. Wir treffen mit der erfolglosen K2-Expedition (USA) zusammen, die gerade absteigt. Sie hat ein Millionenbudget verbraucht.
    19.7.1975
    Ãœber Bardumal erreichen wir am späten Nachmittag Paju, den letzten Platz mit Sträu-chern und Bäumen. Wir sind am Beginn des 52 Kilometer langen Baltorogletschers, den es der ganzen Länge nach aufzusteigen gilt.
    20.7.1975
    Die Träger bewältigen die erste Gletscheretappe gut. Ich teile die tägliche Zigarettenration aus und lege mich zufrieden in unser winziges Zelt.
    21.7.1975
    Die Etappe von Liligo bis Urdukas ist für die Träger hart und nicht ungefährlich.
    22.7.1975
    Wir queren Bäche, Eiswälle und marschieren am Nachmittag über dunkles Geröll. In Goro, wo es stark regnet, sind die Träger nicht zum Weitergehen zu bewegen. Wir sind mehr als 4000 Meter hoch, und die Nächte sind empfindlich kalt. Die Träger kriechen unter eine Plastikhaut, die ich in Askole für sie besorgt habe, und schlafen auf zurechtgerückten Steinen, die den Gletscher bedecken.
    23.7.1975
    Das Wetter bleibt schlecht. Selten nur kann ich den mächtigen Broad Peak sehen oder den Gasherbrum IV, der mit seiner abgestumpften Pyramidenform den Concordiaplatz beherrscht. Obwohl es schneit, gehen unsere zwölf Träger noch ein gutes Stück weiter. Ich habe Mühe, die Orientierung zu behalten, beschließe, am Nachmittag bei einem großen Felsklotz zu lagern. Nebel hüllen uns ein. Schnee fällt.
    Mit einer 100-Mann-Expedition

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