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Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers

Titel: Berge versetzen - das Credo eines Grenzgängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLV Buchverlag GmbH & Co. KG
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Rucksack mit einer 16-Millimeter-Filmkamera, Medikamenten, Notproviant und Filmen schleppen. Völlig vermummt, Mondfahrern ähnlich, beginnen wir den Aufstieg.
    Die ersten Hänge sind nicht steil, die Steigeisen greifen gut. Weiter oben aber, wo sich das Eis wie ein riesiges S zwischen den dunklen Felsen emporzieht, bäumt sich die Wand wieder auf. Wir müssen äußerst vorsichtig klettern.
    Inzwischen ist die Sonne aufgegangen und streift die Gipfelwand, über die wir gerade emporsteigen. Das Wetter ist herrlich! So weit das Auge reicht, keine Wolke am Himmel. Wir müssen weiter. Jeder weiß, wenn wir es heute nicht schaffen, ist unsere Chance vertan.
    Langsam, unendlich langsam gewinnen wir an Höhe. Wir haben die Todeszone schon erreicht (ca. 7600 m). Selbstverständlich klettern wir ohne künstlichen Sauerstoff. Die Rastpausen sind zwingend, das Steigen erfordert all unseren Willen: 20 Schritte, dann eine ausgedehnte Rastpause, dann wieder 20 Schritte. In diesem Rhythmus steigen wir seit Stunden. Wenn nach jeder Atempause das Blut wieder mit Sauerstoff angereichert ist, kehrt auch der Wille zurück, und wir klettern weiter.
    Um die Mittagszeit erreichen wir einen schmalen Grat, der den Hauptgipfel scheinbar von einem Vorturm trennt. Peter steigt das letzte Stück voraus, umgeht die Wechten. Ich filme, fotografiere ihn dabei. Dann verschwindet er am scheinbaren Gipfel.
    Ich steige nach, klettere, raste. Der Grat wird flacher, und Peter kommt mir entgegen. Freudentränen stehen in seinen Augen. Wir sind am Ziel!
    Ein gewaltiges Panorama: K2, Gasherbrum IV, III, II, Masherbrum, die Berge des Kunlun. Weit draußen, im Westen, der Nanga Parbat. Wir bleiben eine gute halbe Stunde, schlagen den einzigen mitgebrachten Haken in die Felsen nahe am Gipfel ein. Als Beweis, dass wir dagewesen sind.
    In den ersten Nachmittagsstunden beginnen wir mit dem Abstieg. Dieser ist zwar weniger anstrengend als der Aufstieg, aufgrund der Müdigkeit aber müssen wir doppelt vorsichtig sein.
    Biwak in 7100 Meter Meereshöhe.
    11.8.1975
    Sturm. Erst als die ersten Sonnenstrahlen unseren Biwakplatz streifen, hört der Wind auf. Wir steigen ab: das Gesicht zur Wand, Schritt für Schritt, Stunde um Stunde. 1200 Meter weit. Nur nicht müde werden! Ein einziger Fehltritt wäre das sichere Ende. Am Nachmittag richten wir oberhalb des Eisbruchs unser viertes Biwak ein.
    12.8.1975
    Das Wetter beginnt sich zu verschlechtern. Wir müssen das Basislager erreichen. Am frühen Vormittag sind wir da.
    Das Experiment ist gelungen. Ich sehe die Achttausender mit anderen Augen.
    13.8.1975
    Genau einen Monat nachdem wir unseren Anmarsch begonnen haben, brechen wir zum Rückmarsch auf. Der Gipfel des Hidden Peak ist nicht sichtbar.

»Im Tun weiß ich, was richtig und was falsch ist.«
    Logistik und Strategie
    S eit dem Beginn meiner Auslandsbergfahrten war mir klar, dass die alte, klassische Form der Himalaja-Expeditionen überholt war. Aber es dauerte lange, bis ich wusste, wie ich aus diesem in einem knappen Jahrhundert festgeschriebenen System aussteigen konnte. Ich suchte lange nach einer alternativen Strategie. Dann musste ich diese erst noch umsetzen lernen.
    Bei der Pyramidenform einer Expedition arbeiten viele Talträger (oft 1000), Bergsteiger und Hochträger unter der straffen Führung eines Expeditionsleiters zusammen, auf dass einer, zwei oder drei am Ende den Gipfel erreichen. Die Logistik dabei entspricht der eines kleinen Industriebetriebs. In den unteren Lagern braucht es viele Zelte, Reserven, Ausrüstung. Dort sind die weniger geschulten Träger und Bergsteiger eingesetzt. Dort leben all jene, die die oberen Lager versorgen. Nach oben hin werden es immer weniger, die klettern, die den Aufstieg vorantreiben.
    Diese Konstruktion setzt nicht nur eine Menge Material voraus – oft sind es zehn oder 20 Tonnen –, sondern auch eine Menge an Organisation. So eine Großexpedition dauert lange. Sie ist beim häufigen Schlechtwetter, das in den großen Gebirgen der Erde verheerende Folgen haben kann (Lawinen!), gefährlich, und sie ist auch nicht allzu erfolgversprechend. Schönwetterperioden können wegen der Schwerfälligkeit des Apparats nicht blitzartig genutzt werden.
    Ich brauchte fünf Jahre, bis ich wusste, wie meine Expeditionsform auszusehen hatte. In diesem fünfjährigen Reifeprozess hatte ich zuerst eine Vision. Dann entwickelte ich eine

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