Berger, Fabian
Job nicht zu ernst. Wenn Sie erst mal tot sind, bleibt von Ihrer Arbeit eh nichts mehr übrig. Doch Sie werden in Ihren Kindern weiterleben. Nur das ist von Bedeutung, Vollmer. Nur das. Es ist nie zu spät, etwas aus seinem Leben zu machen. Und wenn ich Leben sage, dann meine ich nicht diesen verfluchten Job. Genießen Sie die Zeit, die Ihnen noch bleibt. Und jetzt nehmen Sie endlich einen Schluck, verdammt noch mal!« Bosch hob sein Glas und leerte es in einem Zug.
Vollmer nippte an seinem. »Und was wird aus der Redaktion?« Er hoffte, nicht pietätlos zu klingen. Doch die Frage war seiner Meinung nach berechtigt.
Der Chef hielt das leere Glas in der Hand und richtete den Zeigefinger auf seinen Mitarbeiter. »Noch habe ich nicht vor, abzukratzen. Sie werden also noch ein Weilchen auf die Beförderung warten müssen.« Er füllte sein Glas auf. »Und jetzt raus hier! Ich will meine Ruhe!«
Vollmer verließ das Büro und drückte die Tür lautlos ins Schloss. Er konnte immer noch nicht fassen, was er gerade gehört hatte. Nachdenklich ging er zurück zu seinem Schreibtisch und fuhr seinen Rechner runter. Für heute würde er Feierabend machen und zu Fuß nach Hause gehen. Vielleicht konnte er auf dem Weg seine Gedanken ordnen. Doch ihm war klar, dass das wohl ein wenig viel verlangt war für einen Abend.
-31-
S eit Stunden brütete Lorenz über die kargen Informationen, die die bisherigen Untersuchungen ergeben hatten. In der Hoffnung, einen noch verborgenen Hinweis zu entdecken, hatte er sämtliche Unterlagen vor sich ausgebreitet und Bilder der Opfer und Tatorte an die Wand gepinnt. Bisher waren seine Bemühungen, irgendeine Verbindung zwischen den beiden Opfern zu erkennen, erfolglos geblieben. Tornsen hatte sich zuvor bei ihm gemeldet und bestätigt, was er bereits vermutet hatte. Die vorläufige Obduktion hatte ergeben, dass auch dem zweiten Opfer bei vollem Bewusstsein genau der Teil des Gehirns entfernt worden war, den Professor Braun als frontopolaren Kortex identifiziert hatte. Und wieder befand sich altes Narbengewebe an der Stelle der frischen Wunde. Zudem wies das Opfer eine Nasenbeinfraktur auf, die ihm wahrscheinlich durch einen Faustschlag zugefügt worden war.
Es sah nicht gut aus. Zwei grauenhafte Morde waren innerhalb kürzester Zeit geschehen, und Lorenz trat bei seinen Ermittlungen immer noch auf der Stelle. Er hatte Hannah heute Morgen gebeten, die Arbeitskollegin des zweiten Opfers im Krankenhaus aufzusuchen, um die Befragung der letzten Nacht fortzusetzen. Die Zeit drängte. Solange sie den Täter nicht aufhielten, konnte jederzeit ein weiterer Mord geschehen. Doch bei den wenigen Fakten, die ihm vorlagen, war es ihm schleierhaft, wie er das verhindern sollte.
»Ich habe gesagt, dass ich nicht gestört werden will!«, rief er mürrisch, als jemand anklopfte.
Die Tür öffnete sich, und ein Kollege trat zögernd ins Büro. »Ich habe hier den Bericht der Spurensicherung vom ersten Tatort.« Er reichte ihm eine Mappe mit Unterlagen.
Lorenz streckte den Arm aus und wollte sie entgegennehmen. »Nun geben Sie schon her!«, zischte er, als der Kollege sich ihm nicht schnell genug näherte. Aufmerksam blätterte er die ersten Seiten durch, während der Beamte immer noch im Raum stand. »Ist noch was?«
»Ich habe schon einen Blick hineingeworfen«, erwiderte der Kollege. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ...«
Lorenz fiel ihm ins Wort. »Dann fangen Sie schon an, und lassen mich nicht die Arbeit doppelt machen!«
Der Beamte räusperte sich und begann den Inhalt des Berichts vorzutragen. »Am Tatort waren keinerlei Fingerabdrücke, außer die des Opfers.«
»Keine Fingerabdrücke? Das ist schwer vorstellbar. Der Mann wird doch wohl mal von irgendjemandem Besuch bekommen haben«, warf Lorenz ein.
»Entweder lebte er sehr zurückgezogen oder er war ein Putzteufel«, folgerte der Kollege und fuhr fort. »Die Spuren am Opfer selbst sind dagegen etwas ergiebiger. Im Bereich der Schädelöffnung sind Puderrückstände festgestellt worden, die von Latexhandschuhen stammen könnten. Daneben hat man weiße Baumwollfasern gefunden und Reste von Bacoban.«
»Bacoban? Ist das nicht ein Desinfektionsmittel?«
»Ganz richtig«, erwiderte der Kollege und zog ein Blatt hervor. »Bacoban ist ein gebrauchsfertiges, alkoholbasiertes Flächendesinfektionsmittel auf der Basis eines Polykondensats, einer quaternären Ammoniumverbindung und natriumhaltigem Pyrithion. Bacoban ist frei von Aldehyden und Phenol
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