Berger, Fabian
Köln. Ich hätte noch ein paar Fragen an Sie, wenn Sie erlauben.« Hannah hielt ihren Ausweis in Augenhöhe und gab dem alten Mann ausreichend Zeit zur Begutachtung.
»Treten Sie bitte ein.« Seine Stimme klang beinahe gleichgültig. Er zog die Tür weit auf und ging beiseite.
Hannah kam seiner Aufforderung nach und betrat den dunklen Flur des Hauses.
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, hob er seinen Arm und deutete auf den Durchgang zum Wohnzimmer. »Bitte, nach Ihnen.«
Sie folgte den marmorierten Fliesen und gelangte am Ende des Flures in das holzvertäfelte Zimmer.
Frau Korte saß in einem Sessel und schien Hannah nicht zu bemerken.
Ihr Mann rief sie sanft in die Gegenwart zurück. »Maria? Wir haben Besuch.«
Sie hob ihren Kopf und schaute Hannah mit leeren Augen an. »Guten Tag.« Ihr Blick wechselte fragend zu ihrem Mann.
»Das ist Frau Lorenz von der Polizei. Sie möchte uns noch ein paar Fragen stellen«, erklärte er und setzte sich auf den Sessel neben ihr. Behutsam griff er nach ihrer Hand und streichelte sie.
Hannah nahm auf dem Sofa Platz und holte Stift und Notizzettel hervor.
»Lorenz… Lorenz. Den Namen habe ich schon mal gehört«, erinnerte sich die Frau. Sie wandte sich an ihren Mann. »Der Kommissar, der vor Kurzem hier war - wie hieß der noch gleich?«
»Das war mein Vater«, erklärte Hannah.
»Ihr Vater?« Die alte Frau musterte sie genauer. »Sie sehen sich aber nicht sehr ähnlich.« Sie lächelte liebevoll. »Unser Sohn wollte irgendwann in die Firma seines Vaters einsteigen. Ein kleiner Handwerksbetrieb, nichts Besonderes. Er hatte sich immer darauf gefreut. Die beiden verstanden sich sehr gut, müssen Sie wissen. Es gab Zeiten, da war ich regelrecht eifersüchtig auf meinen Mann. Aber das war natürlich albern.« Sie stockte und sah betroffen zu Boden. »Und dann machte uns das Schicksal einen Strich durch die Rechnung.« Sie zog ein benutztes Papiertaschentuch aus dem Ärmel ihrer Strickjacke und schnäuzte sich die Nase.
Hans Korte stand plötzlich auf. »Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee vielleicht?«
Hannah hätte normalerweise abgelehnt. Doch sie spürte, dass der Alte einen Grund suchte, das Zimmer zu verlassen. »Gerne.«
Er drehte sich um und verschwand in der Küche.
Hannah versuchte, an dem letzten Satz der Frau anzuknüpfen. »Sie sagten, es kam etwas dazwischen. Was meinen Sie damit?«
Maria Korte kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern. Jens rief an und fragte, ob er kurz vorbeikommen könnte. Er wollte uns etwas mitteilen und klang dabei eher fröhlich. Daher dachte ich, er hätte vielleicht endlich eine Frau kennengelernt oder irgendetwas anderes in dieser Richtung und wollte uns mit der Neuigkeit überraschen. Die ganze Woche über hatte es nur geregnet. Außer an diesem Tag. Die Sonne schien und der Himmel war klar.« Sie deutete auf Hannahs Platz. »Genau da hat er gesessen. Er sah blass aus an diesem Morgen. Daran erinnere ich mich im Nachhinein.« Sie zögerte, dann fuhr sie mit leiser Stimme fort. »Er klagte schon seit Längerem über Kopfschmerzen. Wir dachten, er würde sich zu sehr verausgaben und rieten ihm dazu, etwas kürzer zu treten, was er auch tat. Doch die Schmerzen blieben. Er sagte, er wäre beim Arzt gewesen und hätte sich untersuchen lassen. Dabei war bei ihm ein Gehirntumor entdeckt worden.« Sie starrte zur Decke. »Mein Gott, warum musste er nur so sehr leiden.« Nach einer kurzen Pause erzählte sie weiter. »Der Tumor war inoperabel und die Heilungschancen sehr gering. Eines Tages trat im Krankenhaus ein Arzt an ihn heran und berichtete von einer neuartigen Therapie, die zurzeit getestet würde. Er schlug ihm vor, als Proband daran teilzunehmen. Mein Junge hatte nichts zu verlieren und so entschied er sich dafür. Es dauerte nicht lange und sein Gesundheitszustand besserte sich. Es war wie ein Wunder. Nach kürzester Zeit war der Tumor verschwunden und kehrte nicht mehr zurück. Trotzdem musste er die Therapie weiter fortführen, um eine Neuerkrankung auszuschließen.«
Hannah hatte ihr bis hierhin geduldig zugehört und unterbrach sie nun. »Können Sie mir sagen, wo sich Ihr Sohn dieser Behandlung unterzogen hat?«
»Das war im Rahmen einer Studie mit freiwilligen Probanden im Forschungsinstitut hier in Köln.«
»Wissen Sie noch den Namen des behandelnden Arztes?«
»Ja, ein Herr Professor Braun. Er hat die Therapie entwickelt und leitete die Studie. Ein sehr
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