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Berger, Fabian

Berger, Fabian

Titel: Berger, Fabian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiefschlaf
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argwöhnisch.
    »Ja, alles bestens«, log sie in der Hoffnung, er würde ihr keine weiteren Fragen stellen.
    »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber Sie sehen sehr mitgenommen aus«, bemühte er sich freundlich zu sein.
    Clara gab keine Antwort. Ihre Gedanken kreisten ausschließlich um das, was sie soeben erlebt hatte. Wer war dieser Mann, der in ihre Wohnung eingebrochen war und warum war er bewaffnet gewesen? Sie hatte den Lauf der Pistole immer noch vor Augen. Wieso hatte er sich ausgerechnet ihre Wohnung ausgesucht? Irgendetwas stimmte hier nicht. Hätte er es lediglich auf ihre Wertgegenstände abgesehen, wäre er ihr doch nicht gefolgt. Im Gegenteil: Er hätte die Zeit genutzt, um schnell noch ein paar Dinge einzustecken und hätte sich dann aus dem Staub gemacht. War dieser Typ am Ende gar kein Einbrecher? Hatte er es möglicherweise auf sie selbst abgesehen? Allmählich wurde ihr bewusst, dass sie, wenn sie recht hatte, immer noch in Gefahr schwebte. Jemand war hinter ihr her und würde womöglich erst Ruhe geben, wenn er sein Ziel erreicht hatte. Worin auch immer dieses bestand. Die bittere Erkenntnis, nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren zu können, ließ sie fast verzweifeln. Sie musste vorübergehend untertauchen. Nur wo sollte sie hin?
    Sie ließ den Blick an der vorüberziehenden Häuserzeile entlang schweifen. Plötzlich fuhr sie herum und schaute zurück. »Halten Sie!«, wies sie den Taxifahrer an, der sofort den Blinker setzte und den Wagen an den Straßenrand lenkte.
    »Haben Sie das Haus mit der roten Tür gesehen?« Clara hatte sich abgeschnallt und sah aufgeregt die Straße hinunter.
    »Nein, tut mir leid. Soll ich umkehren?«
    »Ja, bitte!«
    Er wendete und fuhr die kurze Strecke zurück. »Wenn ich halten soll, sagen Sie Bescheid!«
    Clara konnte das Rot der Eingangstür bereits erkennen und hob ihren Arm über die Schulter des Fahrers. »Dort drüben… Stopp!«
    Sie suchte in ihrer Jeans nach Bargeld und reichte dem Fahrer einen Zwanzig-Euro-Schein. Dann öffnete sie die Tür und sprang hinaus.
    Der Fahrer nahm das Geld entgegen und sah auf den Taxameter. »He, junge Frau. Sie bekommen noch etwas zurück.«
    Doch Clara ging unbeirrt weiter. Unschlüssig stand sie auf dem Gehweg und reckte sich in die Höhe. Dann schaute sie sich um. Sie konnte sich nicht entsinnen, jemals zuvor hier gewesen zu sein und dennoch waren bruchstückhafte Erinnerungen vor ihrem inneren Auge aufgeblitzt, die sie mit diesem Haus in Verbindung brachten. Zaghaft näherte sie sich dem Eingang und betrachtete die Namensschilder. Sie drückte gegen den alten gusseisernen Knauf. Erstaunt stellte sie fest, dass die Tür nicht verschlossen war, und trat ein. Ein Ornament aus Zementfliesen zierte den matten Fußboden des Treppenhauses. Der Stuck an der Decke war von einer überwältigenden, filigranen Schönheit. Ihr Blick folgte dem geschwungenen Geländer, das sich als Spirale empor wand. Die Stufen knarrten unter ihren Schuhen. Sie blieb in der ersten Etage stehen. Die Tür am Ende der Ebene zog sie magisch an. Ein Kranz aus künstlichen Tannenzweigen umrahmte den Spion. Sie beugte sich vor, betrachtete das Messingschild und las den Namen.
    »Charlotte Bernstein!«
    Sie kannte keine Charlotte und auch niemanden mit dem Namen Bernstein. Doch sie musste ihrem Gefühl nachgeben und der Sache auf den Grund gehen. Mutig streckte sie den Finger aus und drückte auf die Klingel. Der schrille Ton hallte hinaus ins Treppenhaus. Niemand öffnete. Sie schellte ein weiteres Mal. Plötzlich vernahm sie ein dumpfes Poltern, gefolgt von einem lauten, metallenen Scheppern. Sie zuckte zusammen und lauschte gebannt an der Tür. Doch das Geräusch kam nicht aus dieser Wohnung. Ruckartig drehte sie sich um. Ein junger Mann mit dunklem welligem Haar öffnete die Tür der Nachbarwohnung und spähte hinaus. Kaum hatte er sie erblickt, zog er die Tür weit auf und kam auf sie zu.
    »Charlotte! Schön, dass du wieder da bist. Fast hätte ich mir Sorgen gemacht!«
    Clara hatte den jungen Mann noch nie zuvor gesehen. Reglos stand sie nun vor ihm und brachte kein einziges Wort über die Lippen. Als er sie unvermittelt umarmte, verkrampfte sich ihr ganzer Körper. Sie hielt die Luft an und wartete steif, bis er sich wieder von ihr löste. Er sah ihr in die Augen und strahlte über das ganze Gesicht.
    »Ich bin so froh, dass du wieder da bist!« Er nahm ihre Hände und drückte sie leicht an sich.
    »Und? Wie war dein Urlaub? Erzähl mal.«

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