Berger, Fabian
wollte sich nicht so schnell abwimmeln lassen.
»Ich mache mir wirklich Sorgen um Sie. Können Sie sich bestimmt nicht mehr an den Unfall erinnern?«
Clara begann zu stottern. »N-Nein. Ich ...« Ihr Blick wanderte unschlüssig zwischen Tür und Telefon hin und her. »Hören Sie, geben Sie mir Ihre Nummer, und ich werde Sie zurückrufen. Aber jetzt muss ich wirklich zur Tür. Oder besser noch: Sie rufen mich gleich noch mal an. Sagen wir in fünf Minuten?«
Sie vernahm ein leises mechanisches Geräusch, während sie auf Lorenz’ Antwort wartete. Verwirrt schaute sie auf das Schloss ihrer Wohnungstür. Als ihr bewusst wurde, was dort vor sich ging, fuhr sie erschrocken zusammen.
»Was zum ... Herr Lorenz? Sind Sie noch dran?« Ihre Stimme vibrierte.
»Was ist los? Was haben Sie?«
Ihr Atem beschleunigte sich und wurde lauter. »Ich glaube, jemand versucht gerade bei mir einzubrechen.« Auf Zehenspitzen schlich sie den Flur entlang und lugte durch den Spion, konnte aber nichts erkennen. Mit lauter Stimme schrie sie dem Einbrecher entgegen. »Gehen Sie von der Tür weg, sonst rufe ich die Polizei!« Das metallische Kratzen am Schloss verstummte. Totenstille. Erst als sie Lorenz’ Stimme wieder hörte, löste sich ihre Verkrampfung.
»Bleiben Sie ruhig. Ich schicke eine Streife vorbei.«
»Nein, alles in Ordnung. Ich glaube er ist weg.« Sie sammelte ihre Gedanken und versuchte sich an die letzten Worte ihres Telefonats zu erinnern. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Sind Sie sicher, dass er weg ist?«
»Ich denke schon, es ist nichts mehr zu hören.«
»Wir sprachen von Ihrem Unfall. Sie sind mir gestern vors Auto gelaufen«, half er ihr erneut auf die Sprünge.
»Ja, genau, das haben Sie gesagt. Aber ich weiß immer noch nicht, von ...«
Ein ohrenbetäubender Schlag ließ die Tür erbeben. Clara stieß einen schrillen Schrei aus. Sie zuckte zusammen und warf schützend die Arme vors Gesicht.
»Was geht da vor sich!« Lorenz brüllte so laut durch das Telefon, dass sich seine Stimme beinahe überschlug.
Clara begann zu winseln. »Der Einbrecher! Er tritt gegen die Tür!« Sie zitterte am ganzen Körper.
Mehrere kräftige Tritte brachten das Holz zum Splittern, doch das Schloss hielt dem Druck weiterhin stand. Dann war es wieder still. Clara rutschte mit dem Rücken die Wand hinunter, bis zum Boden und robbte auf dem Po so weit wie möglich von der Tür weg. Dabei hielt sie den Hörer immer noch in ihrer verkrampften Hand. Sie konnte Lorenz’ Stimme hören, doch er klang wie aus der Ferne. Alles in ihr konzentrierte sich auf den Eindringling.
Ein letzter Schlag riss die Tür schließlich aus ihrem Schloss. Das Metall des Griffes fiel klirrend zu Boden. Holzsplitter flogen durch die Luft. Clara schlug sich die Hand vor den Mund, um ihren Schrei zu unterdrücken. Sie ließ den Hörer fallen und suchte Deckung. Keuchend kroch sie auf allen Vieren hinter die offene Tür, die den Flur vom Wohnzimmer trennte, und stellte sich dahinter. Voller Angst starrte sie durch den Türschlitz und erwartete jede Sekunde, entdeckt zu werden. Der Lauf einer Pistole von einer kräftigen Hand gehalten, streifte ihr Blickfeld. Sie folgte dem Griff der Waffe, die von einer Seite zur anderen schwang. Clara hielt den Atem an. Der Schweiß tropfte ihr von der Stirn in die Augen. Sie musste ausatmen. Würde er sie bemerken? Leise versuchte sie, die Luft aus ihrer Lunge entweichen zu lassen. Sie wusste, dass sie in der Falle saß. Sie dachte nach. Es gab nur eine einzige Chance. Sie musste ihn überraschen.
Seine Schritte waren leise. Sie konnte seinen Atem hören. Er stand genau vor ihr, nur drei Zentimeter Holz trennten sie noch voneinander. Sie hob ihre Hände und stieß mit aller Kraft zu. Die Tür schlug dem Mann gegen die Schläfe und riss ihn zu Boden. Clara rannte an ihm vorbei aus der Wohnung. So schnell sie konnte lief sie die Treppe hinunter und nahm dabei mehrere Stufen auf einmal. Sie hörte die Tür schlagen, dann kamen seine Schritte näher. Mit jedem Stockwerk holte er weiter auf. Sie riss die Haustür auf und flüchtete nach draußen.
Er stieß mit einem Mann zusammen, der gerade das Gebäude betreten wollte. Die Wucht des Aufpralls schleuderte ihn zur Seite und er stürzte unsanft zu Boden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fasste er sich an den Fußknöchel. Schließlich erhob er sich wieder und humpelte ihr ein Stück weit hinterher. Nach wenigen Metern brach er jedoch die Verfolgung ab. Er blickte zurück
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