Berger, Fabian
gewesen bin. Ich kann es nicht besser erklären. Ich verstehe es ja selbst nicht.« Sie senkte ihren Blick zu Boden. »Die Haustür war offen, ich ging hinein und landete schließlich auf dieser Etage. Dann kam ein Nachbar aus der Wohnung gegenüber. Er schien mich zu kennen. Er sprach mich mit Charlotte an und überreichte mir den Schlüssel zu dieser Wohnung. Ich ging hinein und fand das hier im Flur auf dem Boden.« Clara hielt ihm das Kärtchen entgegen, das Lorenz tags zuvor Charlotte Bernstein unter der Tür durchgeschoben hatte. Resigniert zog sie die Schultern hoch und nahm auf einem der Barhocker Platz. »Das kann doch alles kein Zufall sein.«
Lorenz suchte nach einer Erklärung und ließ sie an seinen Gedanken teilhaben. »Vielleicht hat Sie der Nachbar mit der Bewohnerin verwechselt. Oder Sie und Charlotte Bernstein kennen sich und das Haus kam Ihnen deshalb so bekannt vor.«
»Das ist es ja gerade!«, warf sie ein. »Ich kann mich nicht daran erinnern, diese Frau zu kennen! Und an Sie und einen Unfall erinnere ich mich auch nicht.«
»Ich vermute, dass Sie eine Gehirnerschütterung erlitten haben. Vielleicht haben Sie einen kurzzeitigen Gedächtnisverlust. Wir müssen Sie auf jeden Fall ärztlich untersuchen lassen.«
Sein Handy klingelte. Umständlich kramte er es aus seiner Tasche und nahm den Anruf entgegen.
Hannahs Stimme ertönte am anderen Ende der Leitung. »Ich bin’s. Hör mir zu! Dieser Nathanael hat dir gerade eben eine weitere Mail geschickt!«
»Schon wieder? Wo ist es!«
»Du wirst es nicht glauben! Du warst gerade eben noch dort!«
»Was? Lorenz drehte sich von Clara weg, damit sie von dem Gespräch nichts mitbekam. »Clara Berg? Aber warum ...?«
Seine Tochter unterbrach ihn. »Ich weiß es auch nicht. Aber wir müssen wohl davon ausgehen, dass sie immer noch in Gefahr ist.«
Er beendete das Telefonat und verstaute das Handy wieder in seine Jacke. Nachdenklich schritt er durch die Küche.
»Was haben Sie?«
»Frau Berg, ich möchte Sie etwas fragen. Haben Sie sich in letzter Zeit einer Therapie unterzogen?«
Clara war plötzlich verunsichert. »Glauben Sie etwa, dass ich verrückt bin?«
»Nein, nein.« Er bemühte sich, das Missverständnis aufzuklären. »Ich meine, waren Sie in Behandlung bei einem Herrn Professor Braun vom Forschungsinstitut für Neurologie?«
»Nicht, dass ich wüsste. Wieso?«
»Das erkläre ich Ihnen später. Wir fahren jetzt erst mal ins Präsidium. Suchen Sie sich ein paar Kleidungsstücke zusammen!« Hektisch drängte er sie durch das Wohnzimmer in den Flur.
»Ich kann doch nicht einfach die Sachen dieser Frau mitnehmen. Außerdem weiß ich doch gar nicht, ob mir das Zeug überhaupt passt!«
»Das wird es schon! Und jetzt machen Sie schnell.«
Während sie im Schlafzimmer nach einem geeigneten Behältnis suchte, öffnete Lorenz bereits den Kleiderschrank. Sie fand eine Sporttasche und packte wahllos einige T-Shirts, Pullis, Jeans und Unterwäsche hinein. Wenige Minuten später hatten sie die Wohnung verlassen.
Der schwarze Lieferwagen parkte am gegenüberliegenden Straßenrand. Blauer Dunst stieg auf der Fahrerseite nach draußen. Die braunen Lederhandschuhe spannten sich um seine vor Wut geballten Fäuste.
Sein Handy vibrierte. Bevor er den Anruf entgegennahm, stieß er den letzten Zug aus und warf die Zigarette auf den Gehweg.
»Wie konnte das passieren!«, erklang die Stimme vorwurfsvoll in seinem Ohr. »Wie konnte sie Ihnen entwischen? Ich dachte, Ihnen unterlaufen keine Fehler! Sollte ich mich etwa in Ihren Fähigkeiten getäuscht haben?«
»Es wird nicht wieder vorkommen«, entschuldigte er sein Versagen. »Ich habe die Zielperson bereits wiedergefunden.«
»Na, wenigstens etwas«, zischte der Anrufer. »Sehen Sie zu, das Sie Ihren Auftrag zu Ende bringen!«
Unvermittelt öffnete sich die Eingangstür des Hauses und die Frau, die er observierte, trat in Begleitung eines Mannes auf die Straße. Die beiden stiegen in einen dunkelblauen Wagen und fuhren davon.
»Das werde ich. Sie können sich auf mich verlassen.« Er startete den Motor und folgte dem Fahrzeug.
-54-
L orenz und Clara betraten das Präsidium, fuhren mit dem Aufzug hinauf zum Kriminalkommissariat und hasteten durch die Gänge. Ständig musste sie ein paar Schritte laufen, um ihm überhaupt folgen zu können. Im Büro angekommen zog er die Jacke aus und machte sich auf die Suche nach Hannah.
»Wo ist sie?«
Der Kollege deutete auf eine Tür am anderen Ende des
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