Berger, Fabian
zeitliche Verzögerung auch auf den Text des zweiten Computers überträgt. Zwei derartig verbundene Objekte scheinen übereinander genauestens Bescheid zu wissen. Ihre Quantenzustände sind identisch. Mit diesem Verfahren ist es endlich möglich, neuronale Erkrankungen jeglicher Art erfolgreich zu behandeln, indem man die erkrankten Bereiche eines Gehirns durch gesunde eines anderen Gehirns ersetzt.«
Imhoff unterbrach ihn. »Professor, Sie haben mich doch hoffentlich nicht zu sich gerufen, um mir zu erzählen, welch großartige Entdeckung Sie gemacht haben. Falls Sie sich noch daran erinnern können, bin ich über Ihre Forschungsergebnisse voll im Bilde. Schließlich haben wir nicht nur das Mikroelektroden-Array nach Ihrer Anleitung hergestellt, sondern auch mit der Entwicklung der nötigen Software dafür gesorgt, Ihre Theorie in die Praxis umzusetzen. Wenn Sie mir also sonst nichts zu erzählen haben, ist diese Unterhaltung für mich beendet.«
Der Professor hob beschwichtigend die Hand. »Herr Imhoff, ich muss leider so weit ausholen, um Ihnen verständlich zu machen, welcher Fehler das Experiment letztendlich zum Scheitern brachte. Bitte haben Sie noch etwas Geduld. Sie werden gleich wissen, worauf ich hinaus will.«
Imhoff wirkte genervt. Details interessierten ihn offenbar nicht.
Braun setzte seine Ausführungen fort. »Ich konnte mir einfach nicht den Grund für die Fehlfunktion des Experiments erklären. Doch dann fiel mir etwas auf. Haben Sie schon mal etwas von Dissoziativer Identitätsstörung gehört?«
Imhoff schüttelte den Kopf.
»Bei einer Dissoziativen Identitätsstörung oder Multiplen Persönlichkeitsstörung sind sowohl die Wahrnehmung als auch die Erinnerung derart betroffen, dass diese Patienten zahlreiche unterschiedliche Persönlichkeiten bilden, die abwechselnd die Kontrolle über ihr Verhalten übernehmen. Dabei tritt die eine Persönlichkeit in den Vordergrund, während die andere ausgeblendet wird und im Unterbewusstsein dahinschlummert. Einer unserer Probanden litt unter dieser Beeinträchtigung. Ich war fest davon überzeugt, dass mit meiner Therapie auch diese Krankheit zu heilen sei. Doch ich hatte mich geirrt. Der Zustand des Patienten erfuhr keinerlei Besserung. Die Persönlichkeitsstörung trat sogar intensiver hervor, als vor der Behandlung. Dann brach die Verbindung zu allen Probanden ab und das Experiment war gescheitert. Verstehen Sie jetzt, worauf ich hinaus will?«
»Noch nicht so ganz«, erwiderte Imhoff und wartete darauf, dass der Professor fortfuhr.
»Wie ich bereits erwähnte, erfolgt die Stimulation des Gehirns direkt im frontopolaren Kortex des Patienten. In diesem Bereich werden Entscheidungen zu einem gewissen Grad unbewusst vorbereitet, aber noch nicht endgültig manifestiert. Doch ausgerechnet im Unterbewusstsein befinden sich bei einem an Dissoziativer Identitätsstörung erkrankten Menschen die übrigen Persönlichkeiten, die parallel zu der bewussten Identität im Verborgenen liegen, bis diese die Oberhand gewinnen und aus dem Unterbewusstsein hervorbrechen. Ich will damit sagen, dass bei diesem einen Patienten der Vorgang der Quantenverschränkung, der durch die Therapie hervorgerufen wurde, nicht nur auf das Unterbewusstsein beschränkt war, sondern in diesem Fall bei einem plötzlichen Persönlichkeitswechsel auch auf das Bewusstsein des Probanden übergegangen sein muss. Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet, Herr Imhoff? Das Bewusstsein des Patienten hat direkten Zugriff auf das Experiment!«
Imhoff starrte ihn entgeistert an. »Wollen Sie damit andeuten, dass nicht mehr wir das Experiment kontrollieren, sondern ein Geisteskranker?«
»Ganz genau! Durch die Quantenverschränkung, die durch die Mikroelektroden-Arrays ausgelöst wurde, ist der Proband nun in der Lage, seine Gedanken auf die anderen Probanden zu übertragen, und diese sogar in ihrer Handlungsweise zu beeinflussen! Es ist einfach unglaublich!«
»Allerdings«, erwiderte der Doktor nachdenklich.
»Irgendetwas scheinen wir in dem Gehirn des Probanden mit der Therapie ausgelöst zu haben. Denn kurz nachdem wir ihm das Array implantiert hatten, brach der Kontakt zu allen Versuchsteilnehmern ab und die grauenhaften Morde nahmen ihren Anfang. Ich bin davon überzeugt, dass hier ein direkter Zusammenhang besteht. Ich weiß zwar nicht, aus welchem Grund er nun alle übrigen Probanden auslöschen will, aber es sieht ganz so aus, als wollte er das Experiment bewusst
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