Berger, Fabian
verschlimmert. Ihr Blick wanderte zu dem Mann an Charlotte Bernsteins Seite. Er kam ihr ebenfalls bekannt vor. Schließlich erinnerte sie sich. »Karl Senner und Charlotte Bernstein kannten sich?« Sie hoffte, dass Vera Gilden ihr etwas darüber sagen konnte.
Wieder blickte Hannah sie verständnislos an. »Wer ist Karl Senner?«
»Na, der Mann neben Charlotte Bernstein.« Hannah deutete auf das herbe Gesicht.
»Das ist Konrad!«, entgegnete sie. »Mein Bruder!«
Hannah hielt sich die Hand vor den Mund.
»Was haben Sie denn?« Vera Gilden ging zur Spüle, füllte ein Glas mit Leitungswasser und reichte es Hannah.
Sie trank einen großen Schluck. Hier stimmte was nicht. Ganz und gar nicht. »Sie meinen, dieser Mann ist Ihr Bruder?«
»Ja! Natürlich.«
Hannah stellte das Glas auf den Küchentisch und zog sich an ihrer Krücke hoch. »Kann ich mir das Foto für ein paar Tage ausleihen?«
»Selbstverständlich – aber ich bekomme es wieder!«
»Sicher!«
Hannah bedankte sich und ging durch den Flur zur Haustür. Sie hatte den Griff schon in der Hand, als sie sich noch einmal umdrehte. »Ich muss Sie leider bitten, Ihren Bruder zu identifizieren. Es ist wirklich sehr wichtig!« Sie nannte ihr einen Termin und schritt zum Wagen. Als sie das Auto erreichte, zog sie die Tür auf und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
»Wir müssen zurück ins Präsidium! Und zwar schnell!«
-80-
C harlotte erwachte auf einer Liege in einem kleinen Raum. Der stechende Schmerz in ihrem Schädel war heftiger denn je. Sie presste die Hände gegen die Stirn und versuchte, dem unerträglichen Druck entgegenzuwirken. Doch es half nichts. Offenbar hatte sie wieder einen Anfall gehabt. Und wieder fehlte ihr jegliche Erinnerung daran. Sie wusste weder wo sie sich befand, noch wie sie an diesen Ort gelangt war. Doch eines war sicher: Sie musste unter allen Umständen hier weg und sich in Sicherheit bringen. Lediglich die Bilder des Tages, an dem sie den Markt verlassen und sich auf den Nachhauseweg gemacht hatte, waren präsent. Es kam ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen. Jemand war ihr gefolgt. Sie spürte, wie die Angst langsam ihren Nacken hinauf kroch und die feinen Härchen zu Berge stehen ließ. Auf ihrer Flucht war sie vor ein Auto gelaufen. Und nun lag sie hier auf einer Liege in einem kleinen Zimmer. Sie stemmte ihre Arme auf den Rand und richtete sich langsam auf. Krampfhaft umfasste sie das verchromte Gestell und drückte sich in die Höhe. Ihre Beine wollten unter ihr nachgeben. Wie lange hatte sie wohl hier gelegen? Mit aller Kraft versuchte sie ihren Gleichgewichtssinn auf das Karussell anzupassen, das sich in ihrem Kopf drehte.
»Egal, wie du es anstellst, du musst hier raus!«, flüsterte sie und presste die Lippen zusammen. Sachte öffnete sie die Tür und spähte in den lang gestreckten Korridor. Sie trat hinaus und lehnte sich gegen die Wand.
»Streng dich an, Charlotte!«
Die Stimme in ihren Gedanken trieb sie an. Sie zog die Tür hinter sich ins Schloss. Schweißperlen liefen über ihre Wangen. Mit einer flüchtigen Handbewegung strich sie sich durchs Gesicht. Dann schlich sie an den Wänden des Flurs entlang - die Augen streng auf die Glastür am Ende des Gangs gerichtet. Einige der Männer waren uniformiert oder trugen Schusswaffen. Nur wenige warfen ihr einen flüchtigen Blick zu. Doch keiner von ihnen sprach sie an oder versuchte sie aufzuhalten. Offenbar waren alle zu sehr beschäftigt. Schließlich erreichte sie den Ausgang zum Treppenhaus. Sie umfasste die Klinke, stieß die Tür auf und trat hinaus.
-81-
D ie Reifen rutschten über den Asphalt. Im getönten Fensterglas der Limousine spiegelte sich die Fassade des Instituts. Imhoff stieg aus dem Wagen und richtete seinen Blick auf die zahlreichen Fenster des Gebäudes. In keinem der Büros brannte Licht.
Braun wartete bereits vor dem Eingang auf Imhoffs Ankunft. Schnellen Schrittes kam er ihm entgegen. »Endlich sind Sie da.« Er reichte ihm die Hand und schob ihn sanft zur Tür. »Wir sollten gleich hineingehen.« Braun sah sich immer wieder um. Er ging voraus und hielt Imhoff die schwere Glastür auf.
Der Leibwächter folgte den beiden mit nur wenigen Schritten Abstand. Kurz darauf erreichten sie das Labor.
»Jetzt schießen Sie schon los! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Ein schwaches Lächeln legte sich auf Brauns Gesicht. Dann zog er eine Mappe hervor, ließ diese jedoch vorerst geschlossen. »Sie müssen sich etwas in Geduld
Weitere Kostenlose Bücher