Berger, Fabian
üben, Herr Imhoff. Bevor ich Ihnen meine Erkenntnisse mitteile, muss ich sichergehen, dass Sie mir auch folgen können. Sonst hat es nämlich keinen Sinn.«
Imhoff verdrehte die Augen. »Dann fassen Sie sich wenigstens kurz!«
Der Professor lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte bedächtig den Zeigefinger auf die Lippen. »Als ich vor einiger Zeit die Theorie geäußert habe, dass das menschliche Gehirn in einigen Bereichen quantenmechanischen Effekten unterliege, erntete ich innerhalb der Fachwelt Hohn und Spott. Sie waren damals der Einzige, der an mich und meiner Überzeugung geglaubt hat und mich tatkräftig unterstützte. Dafür möchte ich mich nochmals bedanken, Herr Dr. Imhoff.«
»Ja, ja, schon gut«, winkte dieser ab. »Verschonen Sie mich mit Ihren Huldigungen. Kommen Sie zum Punkt.«
Braun fuhr fort. »Also gut. Die zahlreichen Experimente im Vorfeld hatten eindeutig gezeigt, dass selbstbestimmte Entscheidungen in der Gehirnregion des frontopolaren Kortex vorbereitet werden und daraufhin in den sogenannten Mikrotubuli getroffen werden, bevor das Bewusstsein davon Kenntnis erlangt. Diese Mikrotubuli erlauben es, aufgrund ihrer geringen Größe, Quanteneffekte im Gehirn stattfinden zu lassen. Dabei senden sie fortwährend quantenphysikalische Wellen aus, die an den Zellmembranen der Neuronen eindeutig messbar sind. Dieser Messvorgang innerhalb der Nervenzellen lässt die Quantenschwingungen kollabieren und führt sie in einen Grundzustand. Endlich wusste ich, in welchen Bereichen des Gehirns quantenmechanische Effekte stattfinden. Doch es stellte sich mir folgende Frage: Welchen Nutzen hat diese Entdeckung? Wie kann man erreichen, dass man diese Quantenzustände nicht nur messen, sondern auch beeinflussen kann? Ich erinnerte mich an eine meiner Arbeiten zur Anwendung von Mikroelektroden-Arrays in der Neurophysiologie. Meine Forschungsarbeit auf diesem Gebiet war damals rein theoretischer Natur. Erst mit Ihrer Hilfe, Herr Dr. Imhoff, war es möglich ein derartiges Array zu konstruieren. Es waren nur wenige Modifikationen in der Konstruktion vonnöten, um diese Platine auf das Experiment anwenden zu können. Dabei wurde das Implantat Probanden operativ eingesetzt und direkt mit deren frontopolaren Kortex verbunden, um die Wirkungsweise im Unterbewusstsein stattfinden zu lassen. Mit einem elektromagnetischen Impuls durch die Mikroelektroden-Arrays wurden die Atome gewisser Nervenzellen beider Testpersonen angeregt und die dabei von den Atomen emittierten Photonen über ein Glasfaserkabel an die Station weitergeleitet. Dort wurden sie schließlich zusammengeführt und überlagert. Somit waren die jeweiligen Atome beider Probanden miteinander verschränkt. Daraufhin wurde das überlagerte Photon durch einen weiteren Impuls in das Atom des zweiten Probanden hineingeschrieben, und so der Quantenzustand des Atoms des ersten Probanden in das Atom des zweiten Probanden teleportiert.«
Braun sah Imhoffs verständnislosen Gesichtsausdruck und ahnte, dass seine Ausführungen zu kompliziert waren, als dass der Doktor diese verstehen konnte. Er bemühte sich, seine Erläuterungen mit einfachen Worten zu umschreiben. »Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Es war mir endlich gelungen, Quantenzustände von einem Gehirn zum anderen zu übertragen. Stellen Sie sich das Gehirn als einen Computer vor. Dieser Computer wird mit einem anderen Computer zu einem kleinen Netzwerk verbunden. Beide enthalten eine Datei mit gleichem Namen. Diese Dateien bestehen aus ein und demselben Textdokument. Der Unterschied dieser beiden Texte besteht allein darin, dass der Text auf dem zweiten Computer einen winzigen Rechtschreibfehler enthält. Ansonsten sind sie absolut identisch. In unserem Fall sind die Dateien mit den Atomen und die jeweiligen Texte mit ihren Quantenzuständen gleichzusetzen. Ich kopiere nun den Inhalt der Datei ohne Rechtschreibfehler des ersten Computers auf die Festplatte des zweiten Computers. Der fehlerhafte Text wird durch den Kopiervorgang ersetzt, oder anders ausgedrückt: Der Zustand der fehlerhaften Nervenzelle wird durch die Kopie des Zustandes der gesunden Zelle ausgetauscht. Allerdings mit einem erheblichen Unterschied. Ab diesem Zeitpunkt verläuft das Verhalten der räumlich getrennten Nervenzellen bei beiden Probanden absolut synchron. Auf das einfache Beispiel mit der Textdatei bezogen, bedeutet dies nichts anderes, als dass sich nun jede Veränderung des Textes auf dem ersten Computer, ohne
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