Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Reihe von Gewittern die Stadt. Es regnete kaum, aber die Blitze entfachten überall Feuer. Der Gestank, der aus dem Tiber aufstieg, war kaum zu ertragen. Die Stadt schien in Lähmung zu verfallen. Die Morde nahmen zu, das Raubgesindel beherrschte während der Nacht die Straßen. Ganze Hundemeuten streunten hungrig durch die Gassen und Hinterhöfe und fielen Kinder an, sogar Frauen und Männer. Papst Innozenz hatte sich in die Albaner Berge verzogen.
Als Silvia bewegungslos auf ihrem Bett lag und Alessandro herbeisehnte, ihren Retter und Erlöser, hörte sie plötzlich einen Schrei. Es war die Amme. Aber Silvia konnte sich nicht vom Bett wegrühren. Die Hitze lähmte sie. Die Angst, daß der Teufel sich eine andere Frau im Haus gegriffen habe und sich, kaum würde er ihrer ansichtig, wieder auf sie stürzen könnte, hielt sie in ihrem Zimmer. Draußen auf den Gängen entstand Unruhe. Die Mägde schrien nach dem Herrn. Die Tür zu ihrem Zimmer wurde aufgerissen, aber niemand benachrichtigte sie, was geschehen war.
Mühsam erhob sie sich und schwankte auf den Gang. In Sandros Zimmer fand sie schließlich fast die gesamte famiglia versammelt. Der Junge glühte vor Fieber. Und trotzdem klapperte er mit den Zähnen. Immer wieder kippten seine Augen nach oben weg, und man sah nur noch das Weiße.
Silvia konnte nicht reagieren. Quälend langsam waren ihre Bewegungen.
Da stand ihr Vater. Neben ihm ein Chirurgus. Er schnitt mit einem kleinen krummen Messer Sandro in den Arm. Der Junge schrie aber nicht. Eine kleine Blutfontäne, Blutstropfen auf den Fliesen. Daneben die Sandalen des Priesters, in denen Zehen steckten wie die Krallen des Teufels.
Sie war schuld. Sie hatte dem kleinen Engel die Krankheit gebracht. Sie war eine Hexe. Sie mußte sterben, den Feuertod sterben. Noch bevor sie Alessandro wiedersah, bevor sie die Freuden der Liebe und der Mutterschaft genießen konnte, wurde sie auf einen Holzstoß geführt, die Flammen leckten an ihr, fraßen ihr das Kleid weg, erhitzten ihre Haut, glühten sich hinein in sie, bis sie sich in ihnen auflöste, bis ihre Seele gen Himmel flog, dorthin, wo ihre Mutter auf sie wartete.
Langsam wankte Silvia in ihr Zimmer.
Dem kleinen Sandro ging es ein paar Tage besser.
Das Fieber sank, und man glaubte schon, er würde genesen. Silvia wollte ihn pflegen, sie wollte an seinem Bettchen wachen, seine Stirn kühlen und ihm zu trinken geben, sie wollte ihn in den Schlaf singen und mit ihm beten. Aber man ließ sie nur widerwillig zu ihm, und der Kleine nahm sie nicht mehr wahr. Das Fieber stieg erneut. Die Amme tupfte ihm die Stirn ab. Silvia hielt seine glühende Hand. Sie zog ihn sogar aus dem Bett und hielt ihn auf ihrem Schoß. Sandro war nicht bei Bewußtsein. Beim nächsten Aderlaß spritzte sein Blut ihr ins Gesicht.
Noch einmal fiel das Fieber. Aber Sandro war jetzt schon so schwach, daß er nicht mehr sprechen konnte. Plötzlich erschien Rosella neben dem Vater. In lange Gewänder gehüllt, nur das Gesicht frei, trat sie ans Bett. Sie starrte auf das Kind und bekreuzigte sich. Sandro lächelte. Aber er lächelte nicht seine Mutter, er lächelte Silvia an. Es war die Stunde seines Todes.
30. K APITEL
Da das Unwetter keine schweren Schäden angerichtet hatte, konnte man ohne Probleme bis zum Landhaus der Medici reiten. Dort war schon alles für die Jagd vorbereitet. Abends wollte keine Stimmung aufkommen, und so begab man sich frühzeitig ins Bett, um noch vor Tagesanbruch auf den Beinen zu sein. Am nächsten Morgen standen die Hundeführer mit ihrer Meute bereit, die Pferde waren gesattelt. Alessandro schaute sich um, wer von seinen Freunden dem jungen Cesare d’Arignano die Ehre der gemeinsamen Jagd gab. Lorenzo hatte sich natürlich eingefunden, obwohl er mehr die Falkenjagd liebte und zur Zeit, wie Alessandro unschwer an seinen vorsichtigen und langsamen Bewegungen erkannte, unter Schmerzen litt. Auch seine Söhne Piero und Giovanni saßen schon im Sattel. Pico della Mirandola war dabei und Accurse Maynier, Giovanni Crispo und eine Reihe junger Adliger aus Florenz. Marsilio Ficino und die älteren Männer der Accademia hatten sich entschuldigen lassen, sie seien für die anstrengenden Freuden der Jagd nicht mehr jung genug.
Der Jagdaufseher von Cafaggiolo hat mit seinem jungen Gehilfen schon ausgekundschaftet, wo das Schwarzwild aufzuspüren sei. Die Hundeführer konnten die erwartungsfroh bellende Meute kaum noch halten. Cesare hatte sich zwar einen Sauspieß und einen
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