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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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einer Dirne. Die Florentiner laufen in Scharen dem Prediger zu, und Euch verachten sie. Und eines Tages werden sie Euch zum Tyrannen erklären und enthaupten, wie es der Demagoge gefordert hat. Und ich werde sagen: Schade, Lorenzo de’ Medici war reich an Geld und Gaben, kunstliebend und eine Weile auch mächtig. Aber er war so dumm, an das Gute im Menschen zu glauben. Er hat zugelassen, daß ein fanatisches Mönchlein ihn stürzt.«
    Lorenzo wirkte neben Cesare wie ein alter, gebrechlicher Mann. Fast alle Mitglieder der Accademia sprachen gleichzeitig auf den Römer ein, so daß keiner mehr ein Wort verstand. Lorenzo schob sich nun, ohne ihm zu antworten, an Cesare vorbei. Er grüßte lächelnd einen jüdischen Silberschmied und winkte einer halbverschleierten Frau zu, die kaum merklich zurückwinkte. Dann nahm er seinen jüngsten Sohn bei der Hand.
    Als Cesare ihn wieder eingeholt hatte, sagte er ruhig und freundlich: »Wir reisen noch heute zur Villa Cafaggiolo, lieber Freund, speisen, tanzen, plaudern und gehen morgen früh auf die Jagd.«
29. K APITEL
    Die Hitze brütete über der Stadt Rom, die Todesfälle in den Vierteln am Tiber nahmen wie jedes Jahr zu, man befürchtete allgemein den Ausbruch der Pest. An manchen Tagen zog ein fauliger Verwesungsgestank durch die Straßen, der auch die auf den Hügeln gelegenen Palazzi nicht verschonte. Silvia schrieb in den Abendstunden an einer Novelle, manchmal auch ein sehnsüchtiges Gedicht, aber die Hitze ließ sie schlecht schlafen, und am Tag döste sie unruhig dahin. Der Vater verfluchte die Hitze, die der Teufel geschickt haben müsse. Er fluchte, weil nichts geschah, kein akzeptables Mitgiftangebot von Kardinal della Rovere, keine Nachricht von Clarissa, noch immer kein Crispo-Sohn in Rom, kein Schuldenerlaß, Frascati noch immer verpfändet. Dabei wünsche er nichts so sehr, wie den Rest seiner Tage auf dem Land zu verbringen.
    »Rom ist eine verfluchte Stadt, ein neues Sodom, und eines Tages wird Gott sein Feuer vom Himmel schicken oder seine Fluten. Oder seine Racheengel. Wenn Mars und Saturn in Konjunktion treten, werden fremde Heere wie Heuschrecken das Land überziehen und alles kahlfressen. Rom wird brennen, wie einst unter Nero, es wird geplündert wie unter dem Vandalen Stilicho – und wer ist daran schuld?« Er unterbrach sich selbst, weil er keine Antwort wußte.
    Seit Tagen schon schmetterte der Vater seine Philippika gegen alles und jeden. Silvia litt wie er unter der Hitze, aber sie ließ sich nicht so gehen, und sie fand, auch der Vater könne sich zusammenreißen. Daß Giovanni Crispo noch nicht in Rom angekommen war und sein Vater nichts ohne ihn entscheiden wollte, war ihr recht. Denn ihr Herz wehrte sich heftig gegen die Heirat.
    Auch Sandro schien unter dem schwülen, drückenden Wetter zu leiden. Er war plötzlich bockig, er schrie viel, wollte nicht richtig essen und schlug nach der Amme. Und dann, während Silvia sich wieder die Prophezeiungen des Vaters anhören mußte, die Tiraden über die Schlechtigkeit der Welt, über die Geldgier und den Geiz der Priester, über die Hurerei in der Stadt, über die Wucherzinsen der Juden, die endlich einmal von Gott gestraft werden müßten, hörte sie ein lautes Fiepen. Dann kam Sandro hereingerannt, in der Hand den Zeisig. Der Vogel bewegte sich nicht. Er war tot.
    Silvia nahm ihn Sandro aus der Hand, schaute ihn sich genauer an und warf ihn dann zornig aus dem Fenster. »Was hast du getan«, herrschte sie den Kleinen an, und noch bevor er antworten konnte, schrie sie: »Du hast ihn getötet!«
    Er schaute sie aus großen, traurigen Augen an, und dieser Blick machte sie noch wütender. Mit gellender Stimme wiederholte sie: »Du hast ihn getötet!«
    Sandro starrte jetzt bockig nach unten und reagierte nicht.
    »Es ist doch nur ein Vogel«, sagte der Vater, »er hat es sicher nicht mit Absicht getan.«
    »Er hat ihn getötet!« fuhr sie ihn an. Mit einem Stirnrunzeln stand der Vater auf, strich Sandro kurz über den Schopf und verließ das Zimmer.
    Der Junge schien nun weinen zu wollen. Die Mundwinkel zuckten, und er wollte sein Gesicht hinter den Händen verbergen. Aber Silvia schlug die Hände weg und riß Sandros Kopf an den Haaren nach oben. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz und Angst, er begann zu wimmern – dabei war er es doch gewesen, der den Vogel getötet hatte. Und Silvia schlug ihm zum ersten Mal in seinem Leben ins Gesicht. Er sah sie ungläubig an und heulte dann richtig los.

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