Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
als an einem verarmten Römer.« Ohne eine Pause einzulegen, wechselte Rosella das Thema. »Und du sollst den ältesten Crispo-Sohn heiraten?«
Silvia schaute erstaunt auf.
»Ja, ich bin gut informiert, Piccolina. Dein Vater hat Spielschulden bei dem alten Crispo, hat ihm euer Gut in Frascati verpfändet, und nun kann er die Mitgift nicht aufbringen. Er müßte ihm das Gut überlassen. Dabei habe ich deinem Vater angeboten, ihm aus der Patsche zu helfen. Aber er hat abgelehnt, der Dummkopf.«
Während Silvia noch überlegte, was sie darauf antworten sollte, fuhr Rosella fort: »Wir haben uns geliebt, dein Vater und ich – bis deine Mutter dahinterkam. Sie wollte mich aus dem Weg räumen!« Rosella lachte kurz auf, schrill und heftig. »Ist dir bekannt, Piccolina, daß deine Mutter mir nach dem Leben trachtete?« Rosella griff so ungeschickt nach ihrem Pokal, daß der Wein überschwappte, dann goß sie ihn sich zwischen die gierig aufgestülpten Lippen. »Aber das hätte sie schon geschickter anstellen müssen, die kalte Schlange.«
Rosella leckte sich die letzten Reste Wein von den Lippen, verstummte kurz, als müsse sie noch über ihre letzten Worte nachdenken, dann straffte sie ihren Körper, strich sich die Haare aus der Stirn und wandte sich Silvia zu. »Entschuldige meine dummen Reden, vergiß sie einfach. Manchmal bin ich zu offen, das ist nicht gut in dieser verlogenen Stadt. Weißt du, ich habe deinen Vater sehr geliebt. Aber Liebe ist etwas Schreckliches. Sie führt nur ins Unglück. Das laß dir gesagt sein. Unser wichtigster Schatz und unsere Waffe ist unser Körper. Die Männer sind gierig, sind verrückt nach ihm, außerdem brauchen sie ihn für ihren Nachwuchs. Also nutze die Macht deines Körpers! Doch trenne ihn von deinen Gefühlen! Die Liebe mischt sich allzu leicht ein, sie macht uns schwach, sie treibt uns in den Wahnsinn – und in den Mord.«
Rosella hielt erneut inne, als müsse sie ihren Rededrang unterdrücken, und legte ihre Hand tröstend auf Silvias Arm. »Ich weiß, an wen du denkst – an deinen fernen Alessandro. Vergiß ihn! Er war in Florenz der größte Stecher von allen jungen Männern. Das weiß ich aus sicherer Quelle.«
Silvia starrte Rosella entsetzt an, dann verbarg sie das Gesicht hinter den Händen. Sie konnte den auf sie einstürmenden Gefühlen nicht mehr standhalten. Rosellas Worte über Alessandro machten ihr unversehens klar, warum er nicht mehr schrieb. Sie bewies, daß all seine verschnörkelten Liebeserklärungen selbstverliebte Lügen waren, daß er sich lustig machte über sie, die kleine Römerin, die er einmal gerettet und die sich unsterblich in ihn verliebt hatte. Jetzt verspürte er keine Lust mehr, ihr zu schreiben, war ihrer endgültig überdrüssig, ließ sie einfach fallen, bandelte mit einem toskanischen Edelfräulein an, plante vielleicht, mit einer Medici die Ehe einzugehen.
Und sie, sie sollte Giovanni Crispo heiraten, den sie gar nicht kannte. Dies bestimmte ihr Vater, weil er seine Spielschulden loswerden wollte. O heilige Mutter Gottes, warum starb sie nicht! Warum löschte sie der Allmächtige nicht einfach aus!
Silvia konnte die Tränen nicht zurückhalten. Rosella setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schulter. Weindunst, vermischt mit dem Duft aus Rosenwasser, umhüllte sie.
»Alessandro …«, brachte sie heraus.
»Er wird dich ebensowenig heiraten, wie dein Vater mich geheiratet hat.« Rosellas Stimme klang barsch, obwohl sie Silvia gleichzeitig an sich drückte. »Und was soll ich tun? Crispo heiraten? Vielleicht ist er häßlich, dumm und langweilig.«
»Es ist besser, du heiratest einen Crispo, vorausgesetzt, er hat genug Geld, als daß du dein Leben lang auf einen Farnese wartest und schließlich im Kloster endest.«
Silvia schluchzte auf. »Aber ich habe Alessandro doch geliebt.«
»Leidenschaftliche Liebe bringt nur Unglück. Sie macht uns abhängig und schwach. Ich glaube, daß die Liebe, die wir Frauen zu vergeben haben, sich rechnen muß. Heirate Crispo und ficke heimlich, wen du willst. Ficke meinetwegen auch Alessandro, wenn er nach Rom zurückkehrt und Lust auf dich hat.«
In Silvia protestierte alles. »Aber er schreibt mir nicht mehr, er hat mich vergessen!« rief sie. »Außerdem würde ich nie meinen Ehemann betrügen. O Gott, nie!«
»Nie?« Rosella lachte höhnisch auf. »Nie! Auch gut. Dann ist das Leben langweilig … Aber wer in den Dämmerstunden gern sehnsüchtige Sonette schreibt – warum
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