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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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seiner Vorfahren ereilen könnte. In diesem Fall wäre der Weg für ihn, den Zweitgeborenen, frei, sich seinen eigenen Lebensweg zu wählen. Denn der mütterliche Wunsch, sich in die Reihe der Zölibatäre einzugliedern, fiele weg, und als Erbe der FarneseBesitztümer brauchte er nicht an zusätzliche Einkünfte und Benefizien zu denken. Aber all diese heimlichen Überlegungen waren nun hinfällig, Angelo war der Condottiere, der er hatte werden sollen, und konnte als Oberhaupt der Familie Farnese ein Orsini-Mädchen oder irgendein anderes heiraten, ein Kind nach dem anderen zeugen und dies alles mit frommen Sprüchen begleiten. Die Mutter würde glücklich sein. Und der jüngere Bruder mußte dazu den Segen geben.
    Opfer , Entsagung , Verzicht – diese grauen, schwächlichen Worte schwammen inmitten seiner Gedanken wie ein langsam wirkendes Gift. Aber er wollte sich von ihnen nicht lähmen oder gar umbringen lassen. Er wollte nicht verzichten – nicht auf die Frauen, nicht auf Reichtum und Ruhm, er wollte durch das Leben stürmen und lieber früh sterben, als fett und weinselig in den Kapellen, Sakristeien und Beichtstühlen seine Liturgien herunterzuleiern oder seine Stunden zu verdämmern.
    Aber wie war dies möglich? Nun hatte er jahrelang Platon gelesen und mit den klügsten Humanisten Italiens kluge Dispute geführt, wußte aber noch immer nicht, wer er eigentlich war, was er eigentlich wollte. Das gnothi sauton , das Erkenne dich selbst des delphischen Apollon erreichte man nicht durch bloßes Nachdenken, sondern durch Handeln, nicht durch eine vita contemplativa , sondern durch eine vita activa . Aber zu Beginn dieser vita activa mußten Entscheidungen stehen.
    Mit der aufgehenden Sonne hatte sich das Wasser unter ihm golden gefärbt. Er hob den Kopf und schloß geblendet die Augen. Die Entscheidungen waren längst gefallen. Andere Menschen hatten sie für ihn getroffen. Silvia wollte Crispo heiraten. Und damit war sie für ihn verloren. Seine Mutter wie auch Kardinal della Rovere hatten immer daran festgehalten, er müsse in den Kirchendienst zurückkehren, um einmal Kardinal zu werden. Er war der Zweitgeborene, er mußte hinter Angelo zurückstehen, dagegen konnte er sich nur vergeblich auflehnen. Er mußte derjenige werden, der er war.
    Wenige Tage später erreichte Angelo Farnese, von Venedig kommend, Florenz. Alessandro erkannte seinen Bruder kaum wieder. Angelo trug ein Wams aus Samt, einen in der Taille zusammengebundenen, gefältelten Umhang und geschwungen gemusterte Beinkleider. Ein dunkelblaues Barett mit einer Goldborte zierte seinen Kopf. Die Haare drängten darunter hervor und fielen bis auf die Schultern. Alessandro hatte seinen Bruder eher schmächtig in Erinnerung, alle Farnese zeichneten sich durch einen drahtigen Körper aus, nicht durch bäuerische Bulligkeit. Aber dem bibelfesten Angelo waren erstaunlich breite Schultern gewachsen, er preßte Alessandro bei der Begrüßung an sich wie ein Ringer, und Alessandro spürte eisenharte Muskeln.
    Braungebrannt und mit markanten Gesichtszügen stand er nun vor ihm und lachte ihn an. »Du machst eine Miene, als käme ich aus dem Jenseits. Der Kriegsdienst hat mich ein wenig verändert, das ist wahr.«
    Alessandro kämpfte noch immer gegen seine Verwirrung. »Was ist geschehen?« fragte er stockend.
    Um Angelos Mund spielte ein spöttischer Zug. »Ja, lieber Bruder, die auf den Herrn harren , kriegen neue Kraft , heißt es bei Jesaja. So erging es auch mir. Zuerst haben mich alle Hauptleute ausgelacht, und die Söldner nahmen mich nicht ernst, bis ich begriff, daß mir Bibelsprüche im Feldlager nicht weiterhelfen. Ich mußte oft an unseren Vater und an unseren Großvater denken und fragte mich, wie sie sich wohl Anerkennung verschafft hatten. Dann bin ich täglich geritten und gelaufen, habe gefochten, gerungen und Lanzenstechen geübt – bis ich mich stark genug fühlte, auch dem Feind gegenüberzutreten. In einer großen Schlacht konnte ich mich nicht bewähren, aber ich geriet mit meinen hundert Mann in einen Hinterhalt. Es wurde ein blutiges Gemetzel, und ich stand keineswegs nur betend dabei. Lieber Bruder, schau mich an: Vor dir steht ein Sieger. Der Herr gab mir Kraft, mich zu wehren.«
    »Und du hast einen Türken getötet?« fragte Alessandro ungläubig und noch immer verwirrt.
    Angelo wurde ernst. »Nicht nur einen«, antwortete er leise und ohne jeglichen Stolz.
    Alessandro wandte sich ab, weil er den Anblick seines verwandelten

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