Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
ziehen.
Eines Tages jedoch lag Rosella auf einem Kissen im Fenster. Sie war stark geschminkt, und falsches Haar türmte sich turbanartig auf ihrem Kopf. Huldvoll grüßte sie manche der höhergestellten Passanten. Als sie Silvia entdeckte, winkte sie heftig und rief: »Welche Freude, dich zu sehen, Contessina. Du mußt hereinkommen und dir meinen kleinen Palast anschauen!«
Silvia zögerte. Rosella kam zum Portal geeilt und zog sie ins Haus. Sie bot ihr schweren, süßen Wein und Konfekt an und führte sie dann durch den Palazzo. Silvia hatte noch nirgendwo solchen Luxus und Reichtum gesehen: Teppiche und Ledertapeten an den Wänden, Gemälde mit goldenen Rahmen, ein betrunkener Bacchus, nackte rundschenklige Nymphen und bocksfüßige Faunsgestalten, deren mächtige Schwänze sich gierig hochreckten. Überall tummelten sich Engelchen und trieben frech ihren Schabernack. Eine schwere Anrichte mit Obst und Süßigkeiten beherrschte die Stirnseite des Raums, mehrere bemalte Truhen umgaben den Kamin. Ein Spinett stand in der Ecke, neben ihm lagen Flöten und Lauten. Um einen langen Eichentisch reihten sich geschnitzte Stühle. Und das ganze Haus war von einem schweren süßen Duft durchzogen. Junge Tscherkessinnen, noch jünger als Silvia selbst, begegneten ihnen, und schwarzhäutige Dienerinnen lächelten und verbeugten sich stumm.
»Du hast Glück, kein Mann zur Zeit, keine Krankheit, kein Gezeter und alle geschwätzigen Kupplerinnen ausgeflogen. Ich habe ein wenig Ruhe zum Plaudern.«
Silvia fand, daß Rosella deutlich älter geworden war. Im Gegensatz zu ihrem überbordenden Haar, das zudem noch Edelsteine schmückten, umhüllte ihren Körper nur ein leichtes, unter der Brust zusammengebundenes Seidengewand. Die Pantoffeln waren mit Perlen bestickt. Rosella, nach Rosenwasser duftend, bewegte sich hoheitsvoll.
»Du siehst schlecht aus, mein Hühnchen – und spazierst ganz allein durch diese gefährliche und gewalttätige Stadt?«
Silvia nickte. Sie wußte darauf nichts zu sagen. Sie konnte nichts erklären. Sie stellte sich vor, Sandro, herangewachsen, würde sie als Sohn des Hauses begrüßen, wie eine Tante, als Freundin der Mutter, als ältere Schwester …
Als hätte sie ihre Gedanken erraten, sagte Rosella: »Ja, unser süßer Sandro. Er war nicht stark genug für diese Welt. Nun ist er bei den Engeln.« Sie seufzte. »Vielleicht gehört er auch dorthin.« Als Silvia protestieren wollte, fügte sie noch schnell an: »Der Sohn einer Hure, der nicht legitimiert wurde – er hätte es immer schwer gehabt.«
Rosella leerte ihr Weinglas, ein kostbares Glas aus Murano, und goß sich sofort ein neues ein. »Einer Hure …« Sie wiederholte das Wort, als müsse sie ihm nachhorchen, und warf einen mitleidigen Blick auf Silvia. »Aber diese Hure hat es weit gebracht. Ich bin jetzt eine vom Heiligen Stuhl anerkannte Kurtisane, eine cortigiana honesta , und kann mir erlauben, die höchsten Preise der Stadt zu nehmen. Ich besitze mehrere Häuser und verleihe auch Geld. Kardinal Borgia und seine Freunde besuchen mich regelmäßig. Juan, sein Sohn, erfuhr bei uns, was es heißt, seinen Mann zu stehen. Auch Cesare hat sich bei mir schon ausgetobt. Aber er soll sich jüngere Mädchen greifen für seine Wünsche, ich ziehe inzwischen die charmanten älteren Herren vor, die einen dicken Bauch haben und einen gemütlichen Schwanz. O, entschuldige das Wort!«
Silvia mußte plötzlich an Ippolita denken. Clarissa hatte damals erwähnt, Kardinal Borgia exorziere sie. Vielleicht wußte Rosella mehr von ihr. »Hast du etwas von Ippolita Crispo gehört?« fragte sie.
»Ich dachte, sie wäre wieder im Kloster Santa Cecilia. Aber genau weiß ich es nicht. Das arme Mädchen. Sie hat es nicht ausgehalten …«
Rosella unterbrach sich und verstummte.
»Was hat sie nicht ausgehalten?« fragte Silvia. »Den exorcismus? «
»Was weiß ich! Ich kümmere mich nicht um den kirchlichen Kram. Mir ist es auch gleichgültig, was Kardinal Borgia tut, wenn er nicht bei mir ist. Hauptsache, er läßt die Dukaten springen.«
Silvia wußte darauf nichts zu sagen. Rosella trank wieder, und als Silvia noch immer schwieg, fragte sie: »Wie geht es meinem Rotschopf Rufino? Ich habe ihm Geld zu günstigen Zinsen angeboten, aber er ist zu stolz, es anzunehmen. Dafür läuft er der fetten Tochter des Kardinals nach, du weißt schon, deiner Freundin Clarissa. Sie ist allerdings mehr an unserem einträglichen türkischen Gefangenen Dschem interessiert
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