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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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eigentlich Unglaubliche daran. Er hatte als einziger gewagt, dem fanatischen Prediger von San Marco die Stirn zu bieten. Der Sohn eines Stiergeschlechts senkte den Kopf und ging den Gegner direkt an – dies konnte er nur bewundern.
    Auf der anderen Seite stieß ihn die hochfahrende und hoffärtige Art des jungen Mannes ab, seine menschenverachtende Art, mit der er den Jagdgehilfen dem Tod preisgegeben hatte. Der arme Mann hatte ihm nichts getan, als Geschöpf Gottes verdiente er wie jeder andere Schutz und Beistand.
    Irgendwann schlief Alessandro über seinen Gedanken ein und stürzte in einen Traum, der nicht mehr weichen wollte. »Du mußt kämpfen!« rief Cesare lachend und machte eine obszöne Geste. »Aber ich muß ihn doch retten«, antwortete Alessandro und zeigte auf den sterbenden Jagdgehilfen, der sich allerdings in den auf dem Boden liegenden Crispo verwandelt hatte. Alle standen um ihn herum, die ganze Jagdgesellschaft, sogar sein Bruder Angelo. Alessandro wollte Crispo auf die Beine ziehen, aber Crispo schien schon tot zu sein. Auf eine erschreckende Weise verwandelte sich das Geschehen nun. Alessandro zog einen kleinen Jungen aus dem Wasser, versuchte, den wild mit den Armen um sich Schlagenden in sein Boot zu ziehen. Das Boot drohte jedoch zu kentern, und der Junge, der nun ganz deutlich sein Bruder Angelo war, trieb ab, trieb den Arno hinunter und zerschellte an einem Brückenpfeiler, und am Ufer standen türkische Bogenschützen und sandten ihm ihre Pfeile nach. Wie ein Platzregen prasselten sie auf das Wasser und ließen den Arno anschwellen. Eine Frau drehte sich langsam im Fluß. War es Rosella? Oder gar Silvia? Die Pfeile der Türken hatten ihr Gesicht zerstört.
    Als Alessandro langsam aus dem Traum erwachte, zerfielen die Bilder. Zurück blieben verwirrende Bruchstücke und ein würgendes Angstgefühl. Schnell zog er sich an und wanderte zum Ponte Vecchio. Eine Weile schaute er in die Fluten. Aber kein Körper trieb heran, unter ihm strömte nur das Wasser, das in der Bleifarbe des frühen Morgens dahinfloß, als wollte es ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. Es galt, nun endgültig Abschied zu nehmen von diesem Fluß, es galt, eine Entscheidung zu fällen über Lorenzos Angebot, für die Medici in Rom tätig zu werden. Gleichzeitig mußte er sich darüber im klaren werden, ob er nun wieder in den Dienst der Kurie eintreten sollte oder nicht. Vielleicht ließ sich sogar beides verbinden. Aber was sich damit nicht verbinden ließ, war die Hoffnung, die sich an den Namen Silvia knüpfte. Sie hatten sich geliebt, sie hatten viele Briefe miteinander ausgetauscht, um die Ferne zu überbrücken, und doch hatte die Brücke der Worte ihre Liebe nicht getragen. Sie war durch den Fluß der Zeiten weggeschwemmt worden. Silvia, die für ihn die verführerische Reinheit verkörperte, verriet ihren Retter und ließ sich verheiraten – auch noch mit dem hohlen Schönling Giovanni Battista Crispo, der weihevoll das Wort Kunst im Munde führte, als sei ihm gegeben, ihre Botschaft in die Welt zu tragen. Aber wie die Botschaft lautete, war er unfähig zu sagen. Außerdem beherrschte er das Griechische noch immer nicht.
    Unter Alessandro rauschte der Fluß so, wie die Jahre in Florenz an ihm vorbeigerauscht waren. Er hatte in dieser Stadt mit vielen jungen Frauen zusammengelegen, aber die meisten hatte er nach kurzer Zeit vergessen. Sie verschmolzen zu einem einzigen Bild, dem Bild der Livia, die neben ihm lag in der geheimnisvollen Stille des Schlafes. Er hatte sie nicht wieder wecken wollen.
    Im Hintergrund stand aber in all den Jahren Silvias Bild, und mit jedem Brief, den er erhielt und schrieb, hatte sich seine Liebe erneuert. Allerdings hatte er nie daran gedacht, ihr zu sagen, er verzichte auf seine Laufbahn als Kirchendiener und wolle sie heiraten. Die Angst, seine Freiheit zu verlieren, war zu groß. Auch dann noch, als Silvia aufhörte, von Sandro, dem Kind mit seinen Augen und seinem halben Namen, zu erzählen.
    Nun hatte Silvia die Konsequenzen gezogen. Was blieb Alessandro da anderes übrig, als zurück in den Schoß der Kirche zu flüchten? Zumal sein Bruder Angelo aus seinem Kampf gegen die Türken zurückkehrte und nun sicher nicht mehr sein Erstgeburtsrecht aufgeben wollte. Alessandro hatte gelegentlich daran gedacht, daß in der Vergangenheit so viele Farnese auf dem Schlachtfeld geblieben waren und womöglich auch seinen bibelkundigen, aber im Kämpfen wenig geübten Bruder das Schicksal

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