Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
und Überredungskünste sowie durch allerlei Versprechungen an sich binden. Nach außen hin galt er nach seiner Ernennung zum Kardinal als Borgias Parteigänger. Auch wußte man, daß der erotische Einsatz seiner Schwester ihm zu der Stellung verholfen hatte. Darüber wurde viel gewitzelt, mehr oder weniger abschätzig. Kardinal Gonella , Unterrock, hieß er bei den Neidern in Kirchenkreisen. Das Volk nannte ihn Kardinal Fregnese , Fotzese, oder auch Kardinal Fick-ihn . Und bei nicht wenigen Männern schwang Anerkennung, wenn nicht gar Hochachtung mit.
Alessandro kümmerte sich wenig um diese Bezeichnungen, die ihm natürlich auch zu Ohren kamen. Viel mehr beschäftigte ihn, daß Cesare, der mit ihm zum Kardinal ernannt worden war und längst auch offiziell den Namen Borgia trug, ihn mit mißtrauischen Augen beobachtete. In den Wäldern des Mugello hatte das Schicksal sie beide unfreiwillig aneinandergekettet. Und eines Tages würde Alessandro diese Ketten erneut spüren.
Aber nicht nur weil Cesare ihn beobachtete, mußte Alessandro äußerst vorsichtig vorgehen, wenn er Kardinal della Rovere, der sich in Frankreich aufhielt, Informationen zukommen ließ. Die Spione der Borgia saßen überall. Bedienstete und kleine Kirchendiener wurden schamlos bestochen; falls sie sich als unsichere Kantonisten herausstellten, starben sie schnell eines unnatürlichen Todes. Dies galt in Rom als offenes Geheimnis, und auch Accurse Maynier, inzwischen der Geheime Zeremonienmeister des Papstes, bestätigte die lässige Skrupellosigkeit des Stellvertreters Christi. Immerhin begehe der Papst seine »nicht immer christlichen Taten«, so drückte er sich aus, mit Charme und guter Laune, meist finde er für sie auch irgendeinen Grund oder Vorwand, außerdem könne man ihm selten etwas nachweisen. Seinem Sohn Cesare dagegen sei alles zuzutrauen. Er scheue, wenn er es für angebracht halte, nicht vor Mord zurück. Bekannt sei die Familie Borgia schon lange für ihre Giftmischerei. Dabei spiele weißes Arsen eine Rolle und die berüchtigte cantarella , ein langsam wirkendes, schwer erkennbares Gift. Auch der Dolch würde leichtherzig eingesetzt. »Wer einen Stier im Wappen führt, möchte, so nehme ich an, kein Lamm sein«, schloß Accurse lächelnd seinen Bericht über die Vorgänge im Vatikan.
Alessandro diskutierte mit Accurse und Ugo nicht nur die Veränderungen, die sich während der letzten Jahre in Rom abgespielt hatten, sondern kam auch auf die Zeitläufe im allgemeinen zu sprechen, die sich dramatisch zu ändern schienen. Granada, das letzte Bollwerk der Mauren in Spanien, hatte kapituliert; die Juden waren aus dem Lande vertrieben. Viele seien nach Rom gekommen, berichtete Ugo, man höre Schlimmes von ihnen. Aber nun habe der Genuese Columbus auf dem Seeweg nach Indien Länder mit sagenhaften Reichtümern entdeckt und mit Wilden, die nackt umherliefen, Menschen opferten und ihnen das Herz aus dem Leib schnitten. Von Kannibalen war die Rede und von Meeresungeheuern, von allesverschlingenden Stürmen. Trotzdem, unterbrach ihn Accurse, Gold sei dort zu holen, unendliche Mengen an Gold und Silber, überall würden Expeditionen aufgestellt und Schiffe losgeschickt, um die neue Welt zu erobern, insbesondere aber, um die Menschen dort der Herrschaft der katholischen, allumfassenden Mutter Kirche zuzuführen.
Alessandro wies auf die Tatsache hin, daß die Sterne Unheil prophezeiten und dieses Unheil offensichtlich auch bevorstehe. Jeder wußte es: Saturn und Mars traten im Jahre des Herrn 1494 nach zwanzig Jahren wieder in Konjunktion, und das Volk erwartete Hagelstürme, Feuersbrünste, Erdbeben, Überschwemmungen, Pestepidemien. Und natürlich Kriege. Die Astrologen und Propheten überboten sich in Schreckensprophezeiungen. Alessandro wies auf Savonarolas Worte hin, der schon vor Jahren den Einfall eines neuen Cyrus vorhergesagt, ja regelrecht herbeigewünscht hatte.
Ugo und Accurse nickten.
Und tatsächlich schien sich seine Prophezeiung zu erfüllen. Der französische König Charles VIII. war, angestachelt und überredet von Kardinal della Rovere und dem Mailänder Herrscher Lodovico Sforza, genannt il Moro , mit einer geballten Heeresmacht in Norditalien eingefallen. Mehrere Geheimbriefe von della Rovere informierten Alessandro, der Franzose wolle in Rom ein Konzil einberufen und den Teufelspapst absetzen. Anschließend marschiere er nach Neapel und installiere dort wieder die Herrschaft der Anjou. Wer sich ihm entgegenstelle,
Weitere Kostenlose Bücher