Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
werde niedergewalzt. Wichtig sei, daß der jetzige simonistische Occupator auf dem Stuhl Petri kaum der Vernichtung entgehen könne.
»Ja«, bestätigte Accurse, »Seine Heiligkeit ist sehr beunruhigt. Aber Papst Alexander sieht den Herrgott und das Recht auf seiner Seite und will keineswegs nachgeben.«
Alessandro, verunsichert, suchte bei seinen Freunden um Rat. Er haßte Gewalt, und daher verurteilte er auch della Roveres skrupellose Politik. Auf der anderen Seite wagte er nicht, sich offen zu den Borgia zu bekennen und dem franzosenfreundlichen Kardinal die Gefolgschaft aufzukündigen. »Der Papst ist nicht minder skrupellos, ganz zu schweigen von seinen Söhnen. Niemand weiß, wie sich die Machtverhältnisse in absehbarer Zeit ändern werden. Eine eindeutige Parteinahme kann schnell den Verlust aller Ämter, die Einkerkerung oder sogar den Tod bedeuten. Ich habe meinen Aufenthalt in der Engelsburg noch nicht vergessen. Auf keinen Fall will ich Opfer von Verschwörungen oder Intrigen sein, der Spielball von Kräften, die mächtiger sind als ich oder die ich nicht verstehe. Ich will selbst spielen, ich will am liebsten sogar die Regeln bestimmen.«
Er hatte sich in Rage geredet, und seine beiden Freunde nickten stumm, ohne ihn anzuschauen.
Während der nächsten Wochen und Monate überschlugen sich die Ereignisse.
Der Siegeszug des verwachsenen und knollennasigen Franzosenkönigs Charles VIII. schien nicht mehr aufzuhalten zu sein. Der Norden Italiens hatte ihm zugejubelt, Florenz war sofort in die Knie gegangen und hatte den piken- und hellebardenbewehrten Fußsoldaten sowie den gepanzerten Rittern die Tore geöffnet – und im Verlauf dieser Ereignisse hatte Savonarola die Macht in der Stadt am Arno ergriffen. Piero de’ Medici und sein jüngerer Bruder Giovanni mußten aus der Stadt fliehen und in Rom Zuflucht suchen. Die Medici wurden enteignet, ihren Palast plünderten die Besetzer. Und jetzt zogen die neuen Vandalen unter ihrem französischen König nach Rom. Daß die schweizerischen und deutschen Landsknechte, die Gascogner Bogenschützen und französischen Ritter blutrünstige Barbaren waren, hatten sie nach der Eroberung von Rapallo gezeigt. Nicht nur die Verteidiger der Feste, sondern die gesamten Einwohner der Stadt hatten sie niedergemetzelt. Plündernd und sengend zogen sie durch das Land.
Und dann standen sie am Rande des päpstlichen Patrimoniums. Papst Alexander VI., der Nachfolger Petri, heuerte Soldaten an und ließ die Stadtmauern befestigen. Er baute die Engelsburg aus und befahl, sie mit Proviant sowie Munition zu versorgen. Aber die Bevölkerung der Stadt revoltierte, weil die Nahrung knapp wurde. Denn die Colonna, Anhänger der Franzosen, hatten das Kastell von Ostia besetzt und kontrollierten somit den Seezugang der Stadt. Und nun fiel sogar ein Teil der Orsini, die als Condottiere im Dienst des Papstes standen, von ihm ab. Viterbo öffnete den Eindringlingen die Tore, und in Bracciano, dem Stammsitz der Orsini, bezog Charles sein Hauptquartier.
Alessandro war in heller Aufregung. Mehr denn je befürchtete er, als heimlicher Parteigänger della Roveres in die dunkelsten Verliese der Engelsburg geworfen zu werden. Der Borgia zeigte ja, daß er sich nicht scheute, die Kardinäle, die sich offen auf die Seite der Franzosen schlugen, als Geiseln zu nehmen und einzusperren. Sogar die Unterhändler des Franzosenkönigs setzte er gefangen. Stur beharrte er darauf, dem allerchristlichsten König den Weg durch das Patrimonium zu versperren, obwohl seine Streitkräfte lächerlich waren im Vergleich zu denen der Franzosen und sogar noch nicht einmal die eigene Bevölkerung Anstalten machte, die Stadt zu verteidigen.
Die Anhänger des Franzosen streuten überall in der Stadt aus, Charles wolle nur Neapel erobern und Rom verschonen. Anschließend plane er einen gottgefälligen Kreuzzug gegen die Türken. Der Papst dagegen, so bewiesen abgefangene Dokumente, verbünde sich sogar mit dem Sultan, dem Erzfeind der Christenheit.
Das Volk von Rom sah nun ganz klar, was es immer schon geahnt hatte: Der Teufel war der eigentliche Herrscher im Vatikan und Papst Alexander sein williger Helfer.
Alessandro überlegte, wie er sich verhalten sollte. Am sichersten schien ihm, sich aus dem Umfeld des Papstes und somit aus der bedrohten Stadt zu verziehen und nach Capodimonte zu gehen, zu seiner Mutter und zu seinem Bruder Angelo. Dieser war zwar eigentlich auch ein Condottiere des Papstes, galt aber durch
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