Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
eine Göttin.
Schon wurden Mutter und Kind von lärmenden Gästen umringt, und auch Silvia eilte hinzu. Giovanni folgte ihr zögernd. Adriana del Mila, bei der Giulia, wie auch Lucrezia, zur Zeit wohnte, führte das Kind wie eine stolze Großmutter im Kreis umher. Orso, der Vater, stand hinter ihr und ruckte an seiner Augenbinde. Als er das Kind hochnehmen wollte, schob sich seine Mutter dazwischen und rief Laura zu: »Nun begrüße erst einmal den Heiligen Vater.«
»Ja, komm zu deinem Papa !« rief der Papst und streckte der Kleinen die Arme entgegen. Sie juchzte auf und ließ sich hochnehmen, zog ihm seine weiße Kappe vom Kopf und warf sie auf den Boden. Alle lachten. »Du, du, du!« drohte ihr scherzhaft der Papst.
»Papa, Papa!« rief Laura.
»Und wo ist dein großer Onkel?« fragte der Papst.
»Daaa«, antwortete sie und zeigte auf Alessandro, der nun die Kleine dem Papst abnahm und sie wie eine Tänzerin herumschwenkte. Auch ihm wollte sie den großkrempigen Hut vom Kopf stoßen. Aber er ließ es nicht zu, sondern warf sie in die Luft, so daß alle Frauen künstliche Erschreckenslaute ausstießen. Laura aber juchzte auf. »Onkel Lassi«, stieß sie aus, als Alessandro sie auf die Wange küßte.
»Ja, ich bin dein stolzer Onkel Alessandro, und du bist meine allerliebste Laura.«
»Lessandro«, versuchte die Kleine auszusprechen. »Alessandro … lieb.«
Während die Gäste erneut begeistert klatschten und bravo riefen, drehte sich Alessandro mit Laura und kam dann direkt auf Silvia zu. Sie wollte zurücktreten, aber schon stand er vor ihr und reichte ihr mit großer Selbstverständlichkeit das Kind.
»Und das ist deine liebe Tante Silvia, die beste Freundin deiner Mutter – und auch meine beste Freundin.« Alessandro verbeugte sich vor ihr, und Silvia stand nun mit dem Kind auf dem Arm vor der gesamten Gästeschar. Alle lächelten sie erwartungsvoll an, als müsse sie ein Kunststück vorführen. Laura schaute Silvia ernst und forschend an. Auch Alessandro an ihrer Seite lächelte. Und Adriana del Mila lächelte. Orso, hinter ihr, zupfte heftig an seiner Augenbinde. Der Papst winkte. Er lächelte wie ein glücklicher Vater.
Alessandro zwinkerte ihm zu.
Silvia lächelte nun auch die kleine Laura an – und sie lächelte zurück. Silvia war glücklich. Ja, wie damals, mit Sandro, dachte sie. Beinahe hätte sie losgeschluchzt. Aber sie beherrschte sich, ihre Augen wurden nur feucht. Alle beobachteten sie. Da, im Hintergrund stand ihr Vater. Er wußte, was in ihr vorging. Die Kleine untersuchte nun die Perle, die über ihrer Stirn hing.
Giulia war hinzugetreten, gab Silvia einen Begrüßungskuß und flüsterte etwas, was sie nicht verstand. Auch der Papst stand nun eben ihr, und sie wußte nicht, wie sie sich mit dem Kind auf dem Arm verhalten sollte.
Zum Glück nahm er ihr Laura wieder ab.
»Und wann können wir dein Kind taufen, meine Tochter?« fragte er mit anzüglichem Lächeln. » Seid fruchtbar und mehret euch , sagt der Herr. Ihr dürft nicht so stolz sein. Wer einen solchen Liebreiz ausstrahlt, darf der Liebe nicht entsagen.«
Sie wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Aber tatsächlich glaubte sie, ihre Freundin Giulia, die Mutter der kleinen Laura, die Ehefrau des einäugigen Orso Orsini und die Geliebte des Papstes, müsse die glücklichste Frau auf der Welt sein.
38. K APITEL
Alessandro war nicht unzufrieden, aber auch nicht besonders glücklich. Der Aufstieg im Vatikan hatte sich dank Giulias Einfluß günstiger und schneller als erwartet entwickelt, er war Kardinal geworden, auch wenn die alten Herren im Heiligen Kollegium die Nase rümpften über den jungen Spund, der zudem noch nicht einmal die höheren Weihen vorweisen konnte. Aber das Kardinalsamt brachte auch teure Repräsentationspflichten mit sich, die Erwartung, sich einen anständigen Palazzo zu kaufen und die entsprechende Anzahl von Bediensteten zu beschäftigen, kurz: hohe Kosten. Der Papst überschüttete Giulia mit Juwelen und Diademen, mit golddurchwirkten Kleidern und Perlenketten, damit ihre leidenschaftliche Schönheit weiter zu ihm auflodere, ihren Bruder jedoch vernachlässigte er mit pekuniär spürbaren Gunstbeweisen. Es gab Titel und Ehre, nicht jedoch Benefizien und Einkünfte.
Dies minderte Alessandros Einfluß im Kräfte- und Ränkespiel der Kardinäle und der wichtigen römischen Familien. Er war nicht in der Lage, sich Anhänger und Parteigänger zu kaufen, er mußte sie durch Liebenswürdigkeit
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