Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
seine Augen, die blitzschnell alles aufzusaugen schienen und dann hungrig umherspähten.
»Galli hat ihm den Auftrag für eine große Pietà verschafft«, rief Giovanni. »Wir müssen ihm gratulieren.« Giulia klatschte in die Hände, ihr Bruder deutete Applaus an. »Auch ich habe einen kleinen Anteil am Zustandekommen des Vertrags«, fuhr Giovanni fort, strahlend vor Stolz, und legte seinen Arm auf Michelangelos Schulter. Da Michelangelo eine abwehrende Bewegung machte, zog er seinen Arm zurück, klopfte ihm aber noch generös auf den Rücken und wandte sich wieder Silvia und den Gästen zu. Es schien, als wolle er eine Rede halten.
»Auch der Heilige Vater zeigt großes Interesse an dem Werk, das offiziell der Kardinal von San Dionigi in Auftrag gegeben hat und für das sich unser Bankier und Kunstfreund Jacopo Galli verbürgt. Der Heilige Vater hat sogar vorgeschlagen, seinen Sohn Juan als modello für die Jesusfigur zu nehmen, und unser Freund Michelangelo ist noch dabei, sich diesen Vorschlag gründlich durch den Kopf gehen zu lassen.«
Michelangelo winkte mit einer nur halb unterdrückten heftigen Bewegung ab, aber Giovanni ließ sich nicht beirren.
»Juan Borgia, der Herzog von Gandia, ist ein schöner Mann und ausdrucksvoller Charakter, und dem Heiligen Vater ist für seinen Vorschlag zu danken. Der Herzog von Gandia wäre auch bereit, sich der Mühe des Modellsitzens zu unterziehen. Wobei ich einflechten möchte, daß auch sein Bruder Cesare, der Kardinal, nicht abgeneigt wäre, sich als Christus in Marmor verewigt zu sehen. Aber wie sein Bruder Juan richtig bemerkte: Seine Stierbrust ist zu breit für den Heiland, der ja schließlich kein jüdischer Gladiator in römischen Diensten war.«
Giovanni lachte auf, schaute kurz Michelangelo an und drehte sich erneut mit beifallheischendem Lächeln den Gästen zu. Silvia fragte sich, warum er sich vor gerade mal vier Zuhörern in seiner Rede sonnte, statt kurz und bündig zu sagen, was ihm am Herzen liege, und sie schämte sich für ihn. Prüfend ließ sie ihren Blick über die Anwesenden gleiten. Giulia trug kühl und zurückgenommen ihre göttinnenhafte Schönheit. Michelangelos Falte zwischen den Augenbrauen vertiefte sich von Satz zu Satz. Nur Alessandro schien sich über Giovannis Auftritt zu amüsieren. Dabei suchten seine Augen jedoch nicht den Redenden, sondern sie, die den satten und zufrieden eingeschlafenen Tiberio noch auf dem Schoß hielt. Sie erwiderte seinen Blick, schaute dann wieder auf Michelangelo, der sie nun ebenfalls ansah, anschließend seine Augen zu Giulia wandern ließ.
»Der Heilige Vater hat aber nicht nur über ein modello für den Heiland nachgedacht, sondern auch für Maria, für die im tiefen Leid versunkene Gottesmutter. Ja, und an wen hat er gedacht?«
Giovanni hielt inne, weitete seine Brust und genoß die neugierigen Blicke, die seiner Verzögerung folgten. Silvia wurde diese Veranstaltung immer unangenehmer, zumal auch Michelangelo keineswegs Freude daran zu haben schien. Seine Augen wanderten noch immer von einem zum anderen, und über sein schon etwas knittrig wirkendes, obwohl noch junges Gesicht zogen unausgesprochene Gedanken und Stimmungen wie Wolkenschatten, die über das Land eilten.
»An La bella Giulia hat er gedacht. An wen sollte er sonst denken?« Er lachte, als hätte er einen Witz erzählt. »Und aus diesem Grunde freue ich mich auch besonders, daß unser lieber Kardinalsfreund Alessandro Farnese seine Schwester mitgebracht hat, die schönste Frau Roms und eine der schönsten Frauen des Erdenrunds. Ich glaube, daß auch unser Michelangelo, der schon so wundervolle Marmorfiguren wie den Bacchus , den Cupido geschaffen hat, sich nichts Schöneres vorstellen kann, als unsere Giulia hier als Muttergottes aus dem Marmor zu schlagen.«
Es entstand Unruhe unter den Anwesenden. Michelangelo stierte mit finsterem Gesicht auf den Boden. Silvia winkte das Kindermädchen herbei und reichte ihr den schlafenden Tiberio. Sie konnte sich vorstellen, daß Michelangelo sich nur ungern seine Modelle vorschreiben ließ und daß der Einsatz ihres Gatten peinlich enden würde.
Giovanni hob beruhigend die Hände. »Laßt mich noch ein Wort sagen. Ich glaube, auch im Namen von Michelangelo zu sprechen, wenn ich meine Einschätzung kundtue, daß weder Cesare noch Juan Borgia sich eignen, dem toten Christus als Vorbild zu dienen. Aber in diesem Raum gibt es einen anderen Mann, der diese Rolle ausfüllen könnte und der auch dazu
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