Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
Gedanken auszusprechen.
Giulia schaute verloren in die Ferne.
»Als ich hörte, daß sie schon wieder schwanger war und es auch blieb … Ich konnte sie nicht besuchen, ich hätte ihren gesegneten Leib nicht ertragen. Verstehst du mich?«
Sie sah Alessandro nun mit derartig verwundeten Augen an, daß er sie spontan in den Arm nahm.
»Du wirst jemanden finden, du mußt es«, hörte er sie flüstern. »Du mußt Vater werden. Rodrigo hat es auch geschafft. Als Heiliger Vater wird er eine Dynastie von Cäsaren gründen. Was er kann, kannst du auch.«
47. K APITEL
Bald nach Alessandros Besuch brachte Silvia einen gesunden Tiberio zur Welt. Sie überstand die Geburt schnell und ließ es sich diesmal nicht nehmen, den Kleinen selbst zu stillen. Für Wochen, ja Monate galt ihre Aufmerksamkeit dem Säugling, doch versuchte sie gleichzeitig, Sandro nicht zu vernachlässigen. Ihr Mann Giovanni hielt es zwar prinzipiell für besser, eine Amme stille das Kind, aber gleichzeitig fand er es rührend, wie Silvia sich um ihren Zweitgeborenen kümmerte.
»Weißt du, daß du schöner bist denn je?« sagte er. »Ach, Giovanni, laß deine Schmeicheleien!« »Nein, nein, ich meine es ernst.« Er holte seine Staffelei und versuchte, sie in mehreren Anläufen als Madonna mit Kind zu porträtieren, aber er blieb unzufrieden mit dem Ergebnis. Silvia wirkte, wie er selbst fand, auf seinen Bildern seelenlos, und das Kind gelang ihm schon gar nicht. Entweder sah es aus wie ein kleiner Greis oder wie ein wurstiges Schweinchen.
»Michelangelo muß dich malen – ich kann es einfach nicht.« Verstört starrte er auf die unfertigen Bilder und warf sie schließlich kurzerhand in das Kaminfeuer, wo sie hoch aufloderten und verglommen.
Bald darauf begann die Zeit der Besuche. Die Crispo-Familie hatte den Neuankömmling kurz nach der Geburt begutachtet und war während der Taufe anwesend; nun erschien sie ein zweites Mal, diesmal mit üppigen Geschenken, mit einem Blumenteller aus Gubbio, Gläsern aus Murano und einem flämischen Wandteppich voll religiöser Motive. Silvia freute sich über Giovannis Stolz, von seiner ganzen Familie wegen dieses gesunden Jungen, des zweiten schon, gelobt zu werden. Selbst sein Vater plauderte eine Weile mit ihr und versprach dann, demnächst einige Anteile an den Tolfa-Minen ihren Söhnen zu überschreiben.
Agostini Chigi schickte eine römische Säule mit einer antiken Sphinxfigur, die angeblich in Alexandria gefunden worden sei. Und die Papstfamilie übersandte einen spanischen Granatapfelbaum für den Garten hinter dem Palazzo.
Als sich Giulia Orsini-Farnese und ihr Bruder, der Kardinal von Santi Cosma e Damiano, anmeldeten, sprang Silvia auf und eilte ihnen entgegen. Tränen der Wiedersehensfreude zwischen den Freundinnen, würdige Worte von seiten des Kardinals. Dann Begeisterung über den strammen Säugling, der schon lächelte und überhaupt gut gelaunt auf dem Schoß der Mutter die Besucher ertrug. Als er hungrig wurde, scheute sich Silvia nicht, ihn in ihrer Anwesenheit zu stillen. Giulia war schließlich ihre beste Freundin, und Alessandro – ach Gott, sollte sie sich vor ihm schämen? Der kleine Tiberio lag zufrieden nuckelnd an ihrer bloßgelegten Brust. Giulia hatte Sandro auf den Schoß genommen und sprach mit ihm. Alessandro stand auf und betrachtete, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, die Geschenke für Mutter und Kind. Als er sich wieder setzte, warf er einen kurzen Blick auf Tiberio und auf ihre Brust. Silvia spürte diesen Blick, als hätte er sie berührt. Sie lächelte ihn an, und er lächelte zurück.
An diesem Tag fühlte sie sich so glücklich wie lange nicht.
Giovanni, der stolze Vater, weilte auswärts. Er hatte erklärt, ein wichtiges Treffen hindere ihn leider daran, seinen alten Freund und die schöne Giulia, wie es sich gehöre, zu empfangen, aber er hoffe, sie noch zu sehen. Außerdem bringe er eine kleine Überraschung mit, sie mögen bitte warten.
Am frühen Abend erschien er in Begleitung eines Mannes, den er mit großer Geste einführte: Michelangelo Buonarroti! Der große Künstler! Der zweite Praxiteles!
Michelangelo war die Vorstellung offenkundig unangenehm. Er schaute unwirsch auf Giovanni, begrüßte dann aber lächelnd die Farnese-Geschwister und gab Silvia mit einer tiefen Verbeugung die Hand. Seine eingeschlagene Nase fiel ihr natürlich sofort auf, auch die Kräuselhaare, und der Griff seiner Hand war schmerzhaft fest. Aber am meisten faszinierten sie
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