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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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hat noch immer Schulden und ist unglücklich bis in den Tod. Rodrigo wird mich irgendwann von sich stoßen. Und unsere Mutter versinkt in Schwermut und Trauer. Aber ins Kloster gehe ich nicht. Eher …«
    Sie schwieg. Noch immer rannen die Tränen die Wangen hinunter und tropften auf ihren Ausschnitt. Mit einer fahrigen Bewegung strich sich Giulia ihr Seidenkleid glatt und wischte mit dem Ärmelbund die Tränen weg. Sie tat es so geschickt, daß der Lidstrich nicht verschmierte. Jetzt lächelte sie plötzlich.
    »Ich habe dich und Alessandro gerade beobachtet«, fuhr sie fort. »Ihr seid ein Paar, das zusammenpaßt. Und ihr liebt euch. Ich sehe das. Für eine Ehe ist es jetzt zu spät. Ihr könnt nur an eurer Liebe festhalten.«
48. K APITEL
    Was ist die Liebe, fragte sich Alessandro, als er schlaflos in seinem Bett lag.
    Er hatte Silvias Haus ohne seine Schwester verlassen. Die Frauen hatten sich in Silvias Studiolo zurückgezogen und ausrichten lassen, sie wollten nicht gestört werden. Crispo zuckte mit den Achseln, blieb, nachdem er ihm ohne Begeisterung seine Neuerwerbungen gezeigt hatte, wortkarg, sogar mißgelaunt.
    »Es tut mir leid«, sagte Alessandro. »Meine Idee war es nicht, Michelangelo aufzufordern …«
    »Ist schon gut!« unterbrach ihn Crispo. »Der Kerl ist undankbar und hochfahrend, läßt sich außerdem nichts sagen. Aber Rom wird ihn schon zurechtbiegen.«
    Alessandro verabschiedete sich.
    »Und wirst du Michelangelo nun als Modell dienen, wenn er, falls er dich ruft?« fragte Crispo.
    Alessandro zuckte mit den Schultern. »Es hängt von Silvia ab.«
    »Ihr wart ein schönes Paar«, sagte Crispo mit galliger Stimme. »Aber wahrscheinlich ist Silvia ohnehin bald wieder schwanger.« Sein Ton schlug nun in triumphierenden, bösartigen Hohn um. »Tja, euer Pech, ihr Kurialen, ihr Diener Gottes.«
    »Was meinst du damit?«
    »Nichts Spezielles, Eure Eminenz, nichts Spezielles.« Er verbeugte sich in gespielter Unterwürfigkeit.
    Alessandro ließ ihn stehen.
    Aber den ganzen Abend beschäftigte ihn der Besuch bei Silvia. Er sah sich noch in ihrem Schoß liegen, schämte sich auf der einen Seite für diese unwürdige Haltung; gleichzeitig fühlte er ihre Wärme, die Sicherheit in ihrer Nähe – und noch mehr. Begann der Samen, der damals, vor vielen Jahren, gelegt worden war, nach all den Mißverständnissen erst jetzt zu keimen? Aus einem einzigen Lächeln heraus? Schoß er nun in die Höhe?
    Ach Gott, was war die Liebe?
    Auch als er sich ins Bett legte, drehten sich Alessandros Gedanken noch um sie. Gott, den er angerufen, zu dem er lange ein inbrünstiges Pater noster und ein Credo gebetet hatte, gab ihm keine Antwort, aber der Wortlaut des Ave Maria , den er seit langem wieder bedacht hatte, hakte sich in ihm fest: benedictus fructus ventris tui . Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Gebenedeit war Silvias Leib und auch die Frucht ihres Leibes. Aber unfruchtbar blieb sein eigener Leib. Wie ein kastrierter Eunuch fühlte er sich, dabei kannte er die Kraft seiner Lenden.
    Worin lag nun die Liebe? Daß man vögelte, bis man erschöpft, leer und müde wegdämmerte? Dann müßte er Rosella lieben. Daß man mit einem Weibe lebte, Kinder zeugte, sich um sie sorgte und bei ihnen blieb in guten wie in schlechten Zeiten? War Liebe also Fürsorge – und mehr noch: Mitgefühl, Barmherzigkeit? Nicht nur mit einem Wesen, sondern mit allen, auch mit den Ärmsten unter den Brüdern, wie Christus es gefordert hatte? Oder galt Platons Gedanke von der Zeugung und Geburt im Schönen? Aber was war das Schöne? Worin bestand die Schönheit seiner Schwester? In etwas Hoheitsvollem, Göttinnenhaftem? Und Silvias Schönheit? In der engelhaften Verkörperung von Unschuld und Reinheit?
    Nein, nein, all dies umschrieb und erklärte die Liebe nicht.
    Sie fiel vom Himmel, wie eine heilige Krankheit, und ließ den Befallenen nicht mehr los. Sie mochte lange schlummern, dann brach sie aus. Wehrte man sich gegen sie, festigte sich ihr Griff. Und wenn man sich ihr ergab? Erstarb sie dann? Verschwand sie über Nacht und hinterließ Narben? Narben vielleicht, aber meist auch Früchte. Ohne Früchte mußte der Baum des Lebens in Trauer und Einsamkeit verdorren.
    Die Liebe war auch eine Brücke. Ja, sie überbrückte den reißenden Fluß zwischen zwei Menschen. Sie überbrückte die Zeit. Eine lange Zeit. Sie konnte die Kindheit mit dem Alter verbinden, die Jugend mit der Reife. Sie überwand sogar das Vergessen.
    Oder zeugte sie

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