Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
bereit wäre.«
Giovanni schaute niemanden an, grinste nur breit und stellte sich in Positur. Silvia glaubte, in den Boden versinken zu müssen. Er drängte sich selbst auf! Giovanni Crispo, der sich für Roms schönsten Mann hielt, wollte gern als Christus für die Ewigkeit festgehalten werden. Natürlich war Giovanni ein schöner Mann, bisher hatte er jedoch sein Aussehen als Gottesgabe hingenommen. Dieser Ausdruck peinlicher Eitelkeit!
Mit weitausladender Geste wies Giovanni auf Michelangelo: »Der Künstler hat das Wort.«
Michelangelo starrte noch immer auf den Boden. Silvia sah, wie sein ganzer Körper mit dem oder gegen das kämpfte, was er sagen wollte, er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die Arme zuckten, er sagte mehrmals »also« und »im Grunde« und »überhaupt«.
»Das ist ungewöhnlich«, preßte er schließlich hervor, und als Giovanni sofort wieder das Wort ergreifen wollte, brachte er ihn mit einer heftigen Bewegung zum Schweigen.
Silvia sprang auf, nachdem Michelangelo ihr, so glaubte sie wenigstens, einen hilfesuchenden Blick zugesandt hatte, und rief: »Ich schlage folgendes vor: Giulia und Giovanni können sich so setzen, wie Michelangelo die Haltung der Figuren vorschwebt. Er kann Christus und seine Mutter am lebenden Modell darstellen. Dann sieht er viel eher, ob sie seinem inneren Bilde entsprechen. Er ist schließlich der Künstler und muß frei sein, sich im großen Rom oder anderswo seine Modelle auszusuchen.«
Silvia war ins Schwitzen gekommen und fühlte die Röte, die über ihr Gesicht zog. Irgendwie mußte sie die Situation retten.
»Ich glaube, wir sollten ihm mehr Zeit zum Nachdenken lassen«, fügte sie noch an.
»Nein, nein, es ist schon gut«, sagte Michelangelo grimmig und packte Giovanni am Handgelenk, zerrte ihn zu Giulia.
»Und jetzt?« fragte Giovanni, unsicher lachend.
»Soll er sich mir zu Füßen legen?« fragte Giulia mit einem leicht unwilligen Unterton in der Stimme.
Ächzend ließ sich Giovanni nieder und lehnte sich an Giulias Knie.
»Auf ihre Beine. Die Maria hält ihn auf ihren Oberschenkeln wie ein Kind.«
»O Gott, wie soll das gehen?« entfuhr es Giulia.
Alessandro half Giovanni lächelnd auf die Beine und versuchte, ihn zu halten, während er sich der aufstöhnenden Giulia auf die Beine legte.
»Er ist ziemlich schwer«, rief sie, und Giovanni drohte immer wieder herunterzurutschen.
Silvia fand die Situation inzwischen sehr komisch und mußte kichern. Neben ihr war Alessandro rührend bemüht, den beiden lebenden Modellen eine gewisse würdevolle Trauer in ihre Haltung zu legen. Michelangelo stand beobachtend dabei. Auch ihm huschte ein Lächeln über die Lippen.
Silvia befahl einem Diener, einen großen Thronstuhl zu holen, aber bevor er kam, war es Giulia gelungen, eine angestrengte Trauer in ihre Gesichtszüge zu legen, und Giovanni verkrampfte sich mühsam in die Stellung eines Toten.
»Ja, so zum Beispiel«, rief Michelangelo mit verächtlich heruntergezogenen Mundwinkeln. »Nicht bewegen!«
Da saß nun eine Frau und schaute auf einen Mann, der in halb verrenkter Haltung auf ihren Oberschenkeln lag. Silvia schüttelte unwillkürlich den Kopf. Es ging überhaupt nicht. Giulia bemühte sich weiterhin um Trauerhaltung, und ihr schöner Giovanni schloß nun die Augen, sah aber nicht tot, sondern nur verblödet aus. Silvia mußte sich abwenden, um nicht loszuprusten. Auch Michelangelos Gesicht hellte sich immer mehr auf. Er schaute inzwischen vergnügt auf die würdelose Pose, die beide mühsam zu halten versuchten.
»Danke«, rief er, »und nun das nächste Paar.«
»Nein, nein!« wehrte Silvia ab.
Ihr Giovanni öffnete die Augen und schaute überrascht, aber noch immer dumm.
Giulia schien erleichtert, aber gleichzeitig bildete sich ein harter, verächtlicher Zug um ihren Mund.
Michelangelo duldete keinen Widerspruch. Er setzte Silvia auf den Thronsessel, ließ sich einige Vorhänge geben und legte sie über ihre Beine. Silvia wollte sich noch immer wehren, aber schon zog der Bildhauer Alessandro heran, schaute ihn, dann sie prüfend an und bettete ihn schließlich so auf den Boden, daß sein Oberkörper sich entspannt gegen ein Bein lehnen konnte.
Silvia ließ es geschehen. Ihr Blick glitt über den lächelnden Giovanni, der offenkundig nicht wußte, was er von dem Fortgang der Dinge halten sollte, zu Giulia, die sie todernst anschaute. Michelangelo legte nun ihre rechte Hand unter Alessandros Achsel und die linke auf ihr Knie.
Weitere Kostenlose Bücher