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Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes

Titel: Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Berger
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Novelle.
    Aber nun war Alessandro da. Silvia schlief schlecht, träumte wirr, lachte tagsüber unvermittelt, wurde rot und verlor den Appetit. Sie wagte ihn kaum anzusehen, als stünden sie beide nackt voreinander. Er jedoch warf häufig einen forschenden Blick auf sie. Sie sprachen kaum miteinander, und wenn, dann über belanglose Dinge oder über die Kinder, die schnell Zutrauen zu ihm gewonnen hatten, weil er gern mit ihnen am Wasser plantschte.
    Bei einer abendlichen Mahlzeit fragte er sie, ob sie schon auf der Isola Bisentina gewesen seien.
    »Wir haben auf dich gewartet«, antwortete Giulia. »Unsere Mutter hat uns davor gewarnt, ohne männlichen Schutz hinüberzurudern. Die Gärtner hätten von nächtlichen Gestalten berichtet, und aus dem alten Brunnenschacht soll Jammern und Wehklagen heraufklingen. Manchmal allerdings auch ein fernes Singen. Ich nehme an, Amalaswintha treibt ihr Unwesen«, sagte sie spöttisch. »Unsere Mutter träumt schon von ihr.«
    »Aber warum ist sie früher nicht aufgetaucht?« fragte Alessandro lachend. »Ich bin ihr noch nie begegnet. Sie soll rothaarig und sehr schön gewesen sein. Zu eurer Beruhigung werde ich mir demnächst einmal die Insel ansehen und mir die Geister und Wiedergänger ein wenig vorknöpfen.« Er zwinkerte Giulia zu, und beide lachten.
    Eines Morgens wachte Silvia im ersten Dämmerschein auf und trat ans Fenster, um die sanfte silberne Stimmung über dem See zu betrachten. Nebelschwaden waberten über das Wasser, und aus ihnen tauchte ein kleines Boot auf wie eine Geistererscheinung. Eine dunkle Gestalt ruderte, und neben ihr lag eine andere. Silvia konnte kein Gesicht erkennen, und plötzlich hatten die Nebel über dem Wasser das Boot wieder verschluckt. Es war so ruhig in dieser frühen Stunde, daß Silvia sogar Stimmen zu hören glaubte. Dann ein Singen – von fern über den See. Ja, eine weibliche Stimme sang. Aber sie sah niemanden. Morgens schwebten wirklich die Geister über den See.
    Da tauchte das Boot wieder auf. Der Mann stand nun wie eine steinerne Figur am Heck. Das Wesen, das auf den Planken lag, hatte den Arm über den Bootsrand gelegt. Die Hand glitt durch das Wasser. Und wieder hörte Silvia dieses ferne Singen, und unwillkürlich mußte sie an die Sirenen denken, die Odysseus in den Untergang locken wollten.
    Sie fror und legte sich wieder ins warme Bett. Sie schlief erneut ein und wurde, als die Sonne schon hoch stand, von Sandro geweckt. Rosella stand, Tiberio auf dem Arm, in der Tür. Silvia streckte ihre Arme nach dem Kleinen aus, und mit einem Aufjuchzen kam er zu ihr. Auch Sandro krabbelte nun aufs Bett. Die Jungen kuschelten sich an sie, und sie spürte ein tiefes, unzerstörbares Glück.
    Eine Weile sah sie Alessandro kaum, weil er frühmorgens zum Angeln oder auf die Jagd ging und häufig erst spät zurückkehrte. Silvia fühlte eine verstärkte Unruhe, und sie konnte sich nicht verhehlen, daß sie ihn vermißte. Um so mehr freute sie sich, als er nach einer Weile vorschlug, sie alle sollten zur Insel hinüberrudern. Er hatte ein großes Picknick vorbereiten lassen.
    Silvia lag im Schatten neben Giulia, Rosella saß an einen Baum gelehnt und spielte auf der Laute. Mutter Giovannella sammelte Kräuter. Alessandro spielte mit Sandro, während Tiberio über das Gras krabbelte und sich an den Käferchen und Grillen erfreute. Später schliefen die Kinder. Alessandro ging zu seiner Lieblingsstelle am Westufer der Insel, zum Sirenenfelsen, um zu schwimmen. Nach langer Zeit kam er zurück und wollte auch Giulia und Silvia bewegen, sich im Wasser abzukühlen. Beide folgten ihm.
    Während der nächsten Tage und Wochen ließen sie sich immer wieder zur Insel rudern. Silvia vergaß Giovanni nun gänzlich. Sie vergaß auch Rom mit seiner stickigen, krankmachenden Augusthitze. Sogar Frascati fiel gegen Capodimonte und die Isola Bisentina ab. Hier gab es keine Sorgen. Alle waren sie gesund. Die Schulden, die das Leben ihres Vaters so bedrückt hatten, sein schrecklicher Tod – all dies lag zurück. Der Krieg, der sie vor Jahren bedroht hatte, war fast vergessen. Die Verfolgung der Orsini, der Mord an Juan Borgia – so schrecklich dies war, es brauchte sie nicht zu berühren.
    Silvia lag im Schatten einer Pinie, die Augen geschlossen, und träumte vor sich hin. Sie sah Michelangelo an seinem weißen Marmor herumschlagen und roch den Staub der Werkstatt. Sie fühlte Alessandros Nähe, spürte ihn, wie er auf oder zwischen ihren Beinen gelegen hatte,

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