Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
streichen könnte. Außerdem fiel er kürzlich vom Pferd und hat sich ein Bein gebrochen.« Sie schaute nachdenklich in die Ferne. »Wir haben alle von meiner Liebschaft profitiert – aber ich werde die einzige sein, die dafür zahlen muß.« Ein Schatten verdüsterte kurz ihr Gesicht, aber dann hellte es sich wieder auf. »Ich bereue es trotzdem nicht. Nicht nur wegen der Perlen und Edelsteine, der kostbaren Kleider und Teppiche. Rodrigo war kein schlechter Liebhaber. Er kennt alle Arten, uns zu beglücken, trotz seines mächtigen Bauchs. Er zelebriert die Liebe ebenso, wie er die Messe zelebriert. Er bringt uns zum Singen und Beten, Flüstern und Schreien, Zittern und Verstummen. Schmerz und Lust liegen so nahe beieinander. Nein, ich bereue das Liebesopfer nicht. Ich fühlte mich jedesmal durch ihn verwandelt. Erhöht. Ich war die Fürstin, die Königin. Wenn auch nur für eine Nacht.«
Silvia hörte schweigend zu. Wirre Gedanken durchkreuzten ihren Kopf.
»Was mich quält, ist meine Unfruchtbarkeit. Ein einziges Mädchen habe ich zur Welt gebracht! Sonst nur Fehlgeburten, eine nach der anderen. Und nun bin ich verdorrt.«
Sie sah Silvia mit einem großen, eindringlichen Blick an.
»Bist du zur Zeit in anderen Umständen?«
Silvia schüttelte den Kopf.
Sie wurden unterbrochen von Giulias Mutter, die sich zu ihnen setzte, weil sie ihnen ihren letzten Traum erzählen wollte. In ihm stieg eine schöne, mächtige Frau in ein Badebecken und wurde dort von ihrem eigenen Ehemann ermordet.
»Und warum?« fragte Silvia aus Höflichkeit.
»Warum wohl!« antwortete die Mutter. »Bei so etwas spielt immer männliche Eifersucht eine Rolle. Ihr solltet euch in acht nehmen.«
Giulia lachte auf. Silvia schwieg zuerst, sagte dann aber doch: »Ich gebe meinem Mann keinen Anlaß zur Eifersucht.«
Giulia lachte noch einmal: »Unsere Mutter hat gar keinen Traum erzählt, sondern die Geschichte der Gotenkönigin Amalaswintha. Und die wurde nicht aus Eifersucht ermordet, sondern weil sie zu herrschsüchtig war.«
Nun lachte die Mutter. Silvia wußte nicht, ob sie sie auslachte, ob sie sie hatte aufziehen wollen oder vielleicht nur erschrecken. Vielleicht war sie in ihrer hochragenden, abweisenden Burg auch nur wunderlich geworden.
Gewöhnlich störte die Mutter die beiden Freundinnen aber nicht, sondern ritt tagsüber zu ihren Schafherden oder vergrub sich in den Kellergewölben der Burg, in denen, tief unten im Berg, sich Tiegel und Gläser, Mörser und Schalen reihten, dazu Kräuter und Salben, diverse Arzneien und Stoffe, die Silvia nicht kannte, die aber geheimnisvolle lateinische Namen trugen.
Rosella sorgte dafür, daß die beiden Jungen beaufsichtigt und versorgt waren, und wenn sie Zeit hatte, stieg sie mit Mutter Giovannella in den Keller und diskutierte mit ihr die Wirkungen der Kräuter und Arzneien. Aber wohl nicht nur dies. Einmal entdeckten Giulia und Silvia die beiden, wie sie mit geschlossenen Augen vor einem geschliffenen Stein oder Glas hockten und unverständliche Silben murmelten, während gleichzeitig auf dem Feuer eine seltsam grünliche Flüssigkeit in einem Glas vor sich hin brodelte.
»Da sind zwei Hexen beisammen«, flüsterte Giulia, mehr scherzhaft als ernst gemeint.
»Ach wo!« sagte Silvia, bekreuzigte sich aber gleichzeitig. Ihr gruselte es trotzdem in den dunklen, feuchten Räumen und Gängen, und sie winkte Giulia, die beiden in Ruhe zu lassen und unbemerkt wieder das Sonnenlicht aufzusuchen.
»Wahrscheinlich unterhält sich meine Mutter mit der seit langem vermoderten Gotenkönigin«, sagte Giulia lachend.
Silvia hörte nicht hin, sondern eilte zu ihren beiden Söhnen, die friedlich mit Laura am Wasser spielten und sie freudig umarmten, als sie sich zu ihnen setzte.
Als bald darauf Alessandro in Capodimonte auftauchte, erschrak Silvia zuerst und stürzte dann in einen Taumel aus Freude und Angst, Sehnsucht und Beklemmung. Sie hatte während der vergangenen Wochen immer wieder an ihn gedacht, befürchtet, daß er käme, und ihn gleichzeitig herbeigewünscht. Von Giovanni hörte sie nichts, und so vergaß sie ihn fast. Gelegentlich erschrak sie, weil ihr wieder bewußt wurde, daß er ihr Ehemann war. Aber sie vermißte ihn nicht, und nach Rom zog sie auch nichts zurück. Das einzige, was sie vermißte, waren die Sitzungen bei Michelangelo. Wenn ihr die Erinnerungen an diese Stunden den Schlaf nahmen, setzte sie sich im Licht mehrerer Kerzen an ein Pult und schrieb eine kurze
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